Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

228Rezensionen 
der Kriegszeit auch als Richter in Liechtenstein. Darü- ber wird man in der 2012 vollendeten Dissertation von Anna-Carolina Perrez über deutsche und schweizerische Richter in Liechtenstein in der Zeit von 1938 bis 1945 mehr lesen können. Autor Dür zeigt sich nicht primär von der «Verwegen- heit» von Heinrich Heinen, sondern vor allem von des- sen Liebe zur Braut beeindruckt. Dür verfolgt minutiös auch die Lebenswege weiterer Personen aus dem Um- feld des Paares. So von Helene Krebs, die Edith Meyer als Cousine einige Tage beherbergt hatte und infolge von Denunziation und polizeilichen Ermittlungen verhaftet und, schwanger, nach Auschwitz in den Tod geschickt wurde, trotz verzweifelt mutiger Briefe ihres «arischen» Ehemannes an die Behörden. Der Autor lässt zahlreiche Quellen im Originaltext sprechen, Polizeiprotokolle, Ein- vernahmen, Urteile, Briefe. Persönliche Umstände klei- ner Leute, Unglück, Elend und Walten des verbreche- rischen NS-Systems stehen unmittelbar vor Augen. Autor Dür sagt im Schlusskapitel: «Das Schicksal von Heinrich Heinen und Edith Meyer zeigt, wie weit der nationalsozia- listische Unrechtsstaat von jenen Grundsätzen entfernt war, die wir heute mit einem Rechtsstaat verbinden.» Und er zitiert Fritz Bauer: «Liebe steht nicht ausserhalb des Staates. Sie ist letztlich seine Mitte.» Es sei zu hoffen, fügt Dür an, dass die Liebe «auch im Recht der Staaten und im Zusammenleben der Menschen wirksam sei». Der Autor Alfons Dür ist Jurist und erfahrener Rich- ter. Er kennt die Gesetze und deren Wandel, das Proce- dere bei Strafverfahren, die Kluft zwischen Gerechtigkeit, Recht, Willkür und Gewalt. Sein exemplarisches Werk ist von zeitgeschichtlichem wie auch spezifisch regionalem Wert. Es zeigt konkret, was sich in Feldkirch und darü- ber hinaus abgespielt hat. Nicht im Tageslicht, sondern im Dunkel, an der Grenze, im Gefängnis, im Gerichts- saal. Unweit des kriegverschonten Liechtenstein. Bildnachweis Landesgericht Feldkirch, Gefangenenbuch; Voralberger Landesarchiv, 
Bregenz Anschrift des Autors PD Dr. Peter Geiger, Historiker, Im obera Gamander 18, FL-9494 
Schaan 
List zwei Wachbeamte, nahmen ihnen Pistolen ab und sperrten sie in die Zelle. Heinen durchsuchte darauf die gesamte Frauenabteilung des Gefängnisses, Zelle für Zelle, nach Edith Meyer – umsonst, sie war nicht mehr da. Schliesslich flüchteten sie zu sechst. Drei wur- den bald nahe dem Rhein bei Bangs gefasst, drei kamen tags darauf per Fahrrad bis Hohenems, wo einer verhaf- tet, zwei aber erschossen wurden, nämlich der 19-jäh- rige Hohenemser Kommunist und Widerstandskämpfer Josef Höfel und der verzweifelte Heinrich Heinen. Die beteiligten Polizeiorgane erhielten später von Gauleiter Franz Hofer eine «Belobung» für den Kampf gegen die zur Strecke gebrachten «Schwerverbrecher». Die übrigen vier am Ausbruch aus dem Gefängnis in Feldkirch Beteiligten – ein 16-jähriger Vorarlber- ger Lehrling, ein 17-jähriger Schweizer, ein psychisch kranker, desertierter 30-jähriger Ostpreusse sowie ein 27-jähriger Tscheche namens Friedrich Frolik – wurden vor dem Sondergericht Feldkirch angeklagt. Diesem ge- hörten wiederum Dr. Eccher und Dr. Böhm sowie neu Amtsgerichtsdirektor Dr. Walter Murr an, dazu wie im Heinen-Prozess als Oberstaatsanwalt Dr. Möller. In der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Sondergericht am 19. Mai 1943 wurde der junge Schweizer zu drei Mo- naten, der junge Vorarlberger zu eineinhalb Jahren, der Ostpreusse zu vier Jahren, der Tscheche Frolik aber zum Tod verurteilt. Frolik starb am 2. Juli 1943 in München- Stadelheim unterm Fallbeil. Die am Sondergericht Feldkirch wirkenden Richter Dr. Otto Böhm, regimetreues NSDAP-Mitglied, und Dr. Walter Murr, als «milder Richter» geltend, amtierten in Auszug aus dem Gefangenenbuch der Haftanstalt Feldkirch, 1942. «Vorarlberger Landbote» vom 29. Mai 1943: «Feldkirch, Gewalttäter zum Tode verurteilt» Kapitel_10_Rezensionen.indd   22822.10.12   13:00
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.