Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

225 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 
2012Der 
Atlas Werdenberg-Liechtenstein kümmert sich für einmal nicht um die hoheitlichen Grenzen und die her- kömmlichen Randzonen. Er wagt die Grenzüberschrei- tung und die Gesamtsicht. Damit stellt er bisher unbe- achtete Zusammenhänge her, womit sich auch neue fachliche Erkenntnisse einstellen. Was bisher in Statis- tiken in Vaduz und St. Gallen zwar nachgeschlagen wer- den konnte, aber zusammenhangslos nebeneinander lag, wird zu einem neuen Ganzen zusammengebaut, Dieser Wechsel der Raumbetrachtung ist die eigent- liche Errungenschaft dieses Werks, weil er die bisherigen Schwerpunkte der Wahrnehmung verschiebt. Der Raum bekommt eine andere Mitte, und die Ränder liegen plötzlich an anderen Stellen. Ein solches Raumverständ- nis relativiert die administrativen Grenzen und betont die Beziehungen. Es will die nationalstaatlichen Grenzen nicht ausblenden, aber es möchte darauf hinweisen, dass daneben noch andere Realitäten bestehen. Dies gelingt dem Atlas Werdenberg-Liechtenstein und damit reicht seine Bedeutung über die technische Zusammenfüh- rung räumlicher Sachverhalte hinaus. Er ist auch mehr als eine symbolträchtige Geste zur Unterstreichung der freundnachbarschaftlichen Beziehungen. Die Auseinan- dersetzung mit der ganzen Talbreite könnte der Beginn einer neuen Kultur zur Betrachtung und Behandlung des Raums sein. Zu den angesprochenen neuen Erkenntnissen, die in diesem Werk besonders zur Geltung kommen, zählen die Pendlerströme. Zwar weiss man von deren Existenz, aber ihre grenzüberschreitende Darstellung ist dennoch erhellend und eindrücklich. Die Betrachtung des gesam- ten Raums zeigt auch die grosse Bedeutung der Gemein- den Vaduz, Schaan und Buchs als Standorte der regio- nalen Wirtschaft auf. Im Falle von Vaduz und Schaan beeindruckt die grosse Zahl der Arbeitsstätten im Ver- gleich zur Wohnbevölkerung. Die gesamtheitliche Sicht streicht die Wichtigkeit des Rheins für die Wasserversor- gung und als Lebensraum heraus. Aber vor allem zeigt der Blick über die Grenze zahlreiche interessante und gelegentlich auch amüsante Unterschiede auf. So fahren die Werdenberger fleissiger Velo als die Liechtenstei- ner. Dafür ist die rechte Talseite deutlich komfortabler mit dem Bus bedient. Oder es kommt zum Ausdruck, dass die Liechtensteiner bezüglich des Gebäudeum- schwungs auf grösserem Fuss leben als ihre linksrhei- nischen Nachbarn. 
Der Atlas Werdenberg-Liechtenstein ist ein interes- santes Nachschlage- und Kartenwerk, das sich haupt- sächlich mit raum- und verkehrsplanerischen Fragen befasst. Er illustriert und interpretiert Fakten, die im Rahmen des Agglomerationsprogramms Werdenberg- Liechtenstein zusammengetragen und entwickelt wur- den. Betrachtet wird der Abschnitt des Alpenrheintals zwischen der Talgabelung bei Sargans und der Stadt Feldkirch, der geographisch als eine Einheit verstanden werden kann. Die Innovation dieses Werks, nämlich die kartogra- phische Zusammenführung zweier Teilräume, wirkt so natürlich, dass sie zunächst kaum erkannt wird. Sie erschliesst sich erst, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass dieser geographische Raum in der Mitte durch eine Landesgrenze längsgeteilt wird. Dies führt dazu, dass so- wohl in historischen als auch aktuellen Kartenwerken in der Regel nur eine Talhälfte dargestellt ist. Die Räume auf der jeweils anderen Seite der Grenze werden igno- riert. Wenn sie nicht weiss sind, dann fehlen zumindest die fachlichen Inhalte. Die bisherigen Karten brachten zum Ausdruck, was auch im realen Leben häufig der Fall ist – das Denken in zwei Talhälften. Die kartographische Abbildung nur einer Talhälfte bleibt aber, wie die Spra- che treffend zum Ausdruck bringt, einseitig, was mit un- vollständig und unausgewogen in Verbindung gebracht wird. Diese Fokussierung hat noch einen weiteren Effekt. Der Rhein, die eigentliche Mitte und Lebensader des Tales, wird als Rand betrachtet. 
Atlas Werdenberg-Liechtenstein Eine Publikation des Vereins Agglomeration Werdenberg-Liechtenstein Heiner SchlegelVerein Agglomeration Werdenberg-Liechtenstein (Hrsg., 2011): Atlas Werden- berg-Liechtenstein 2012. Eigenverlag, Buchs. 47 Seiten. Bezug gedrucktes und gebun- denes Exemplar für CHF 18.– (inkl. Porto und Verpackung) unter info@agglomeration- werdenberg-liechtenstein.ch Download unter http://www. agglomeration-werdenberg- liechtenstein.ch/ Kapitel_10_Rezensionen.indd   22522.10.12   13:00
	        

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