Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

203 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 201245 
 Im Protokoll ist die Rüge wieder durchgestrichen. Landtagsproto- koll vom 20. Dezember 1876. 46  Landtagssitzung vom 28. April 1863. Die Rede ist nur in der ge- druckten Fassung in der Liechtensteinischen Landeszeitung vom 6. Juni  863, S. 3 enthalten. 47  Am 8. Juli 1922 plante Fürst Johann II. offenbar selber im Landtag zu sprechen, liess sich dann aber wegen «Unwohlsein» kurzfristig von seinem Bruder, dem späteren Fürsten Franz I., vertreten. Auf- gefordert von Landtagspräsident Wilhelm Beck, sich zum Thema Zollvertrag mit der Schweiz zu äussern, sagte Franz von Liech- tenstein: «Als Mitglied der Dynastie darf ich in dieser Hinsicht kein Wort reden, da ich Sie meine Herren nicht beeinflussen kann. Wenn ich aber zu dieser Frage Stellung nehme, so ist es nur von mir persönlich als Privatmann.» (Landtagsprotokoll vom 8. Juli 1922). Diese Äusserung ist ein Hinweis darauf, dass sich die Monarchie gegenüber dem Landtag zurücknahm. Franz I. sprach mehrfach im Landtag, so vor allem auch bei der Huldigung 1929, als er die Abgeordneten eindringlich zur Einigkeit aufrief. 48  Weitere Delegationen wurden erst nach 1921 gewählt: am 12. November 1923 eine Huldigungsdelegation anlässlich des 65-jährigen Regierungsjubiläums und am 14. Dezember 1944 eine Delegation, die den Fürsten um Zurücknahme des Beschlusses zur Errichtung einer Gesandtschaft in Bern ersuchen 
sollte. 
der seiner unverbrüchlichen Treue. Bei der Schliessung (und gelegentlich auch bei der Eröffnung) des Landtags sprach der Landtagspräsident meist ein dreifaches Hoch auf den Landesfürsten aus, in das der gesamte Landtag jeweils «freudig» einstimmte. Umgekehrt bedankte sich auch der Fürst in seinen Adressen für die Treue und die gute Zusammenarbeit. Fürst Johann II. sprach nie selber im Landtag.47 
Der Kontakt zwischen Fürst und Landtag lief über den Lan- desverweser, der im Namen des Landesfürsten alle Re- gierungsvorlagen in den Landtag einbrachte sowie den Landtag im Namen des Fürsten eröffnete und schloss. In seltenen Ausnahmen wählte der Landtag eine Depu- tation, die direkt beim Fürsten vorsprach. In den Land- tagsprotokollen sind vier solche Deputationen vermerkt: Die erste sprach 1866 anlässlich des Ausmarsches des Truppenkontingents ins Südtirol beim Fürsten vor, der sich zu dieser Zeit auf Schloss Gutenberg befand (Land- tagsbeschluss vom 18. Juli 1866); die zweite sollte den Fürsten für die Idee einer Spielbank gewinnen (Land- tagsbeschluss vom 16. November 1872); die dritte über- brachte ihm die Glückwünsche zum 40-jährigen Regie- rungsjubiläum (Landtagsbeschluss vom 3. September 1898) und die vierte die Glückwünsche zum 50-jährigen Regierungsjubiläum (Landtagsbeschluss vom 22. Okto- ber 1908).48 Zu erheblichen Meinungsdifferenzen 
zwi- 
Würdigung und Ausblick Die Verfassung von 1862 bedeutete eine politische Neu- ordnung und wurde vom Volk freudig begrüsst. Am Ende der ersten Landtagsperiode zog Landtagspräsident Karl Schädler folgende Zwischenbilanz: «Die Gesetzentwürfe, welche die Regierung der Berathung und Beschluss- nahme des Landtages unterlegte, betreffen Gegenstände von vitalen Belangen für unsere Staatsgemeinde. Bei der Dringlichkeit, in welcher die Vorlagen zu machen waren, erübrigte der Regierung zu wenig Zeit, derselben die Be- gründungen, welche zu ihrer einsichtlichen Behandlung so nothwendig sind, im erforderlichen Masse beibringen zu können. Es ist dagegen zu konstatiren, dass der Chef der Regierung als Kommissär derselben mit entschie- denem Eifer die möglichen Aufklärungen bereitwilligst leistete, und sonst die Berathungen bestens unterstützte. Eine wesentliche Förderung der Landtagsarbeiten haben wir der unverdrossenen Hingabe der Referenten und Se- kretäre sowohl in den Ausschuss- als Plenarsitzungen zu verdanken. Ich zweifle nicht daran, dass das Ergebniss der vereinten Bestrebungen der Regierung und des Landtages das gewollte Resultat – die Förderung des Landeswohles – zur Folge haben wird. Meine Herren! In der nun be- endeten Periode haben wir in den Arbeiten, welche das Zutrauen Sr. Durchlaucht und des Landes uns übertrug, eine der grössten Schwierigkeiten, den Anfang, bestanden. Neulinge im parlamentarischen Leben, haben wir die Me- thode, nach welcher die Gegenstände der Berathungen zu behandeln sind, besser kennen gelernt und uns in diesel- ben eingeübt, zudem ist das Gebiet unserer Arbeiten uns um Vieles bekannter geworden. Dennoch wird es auch fernerhin der vollen patriotischen Hingabe unserer Kräfte bedürfen, sollen wir unsere Aufgabe lösen, unsere Staats- gemeinde nach den Forderungen der Zeit auf der Grund- lage der gesetzlichen Freiheit aufzubauen und damit das intellektuelle und materielle Wohl des Landes zu heben.»46 In den Worten des Landtagspräsidenten Karl Schädler kommt einerseits die Freude über das Erreichte zum Aus- druck, andererseits auch ein Optimismus. Bis zum Ersten Weltkrieg funktionierte die Verfassung recht gut. Die wenigen Konflikte zwischen Fürst und Landtag konn- ten rasch bereinigt werden. An Fürst Johann II. wurde nicht nur seine Grosszügigkeit in materiellen Belangen, sondern auch seine politische Zurückhaltung geschätzt. Der Landtag versicherte den Landesfürsten immer wie- Kapitel_9_Vogt.indd   20322.10.12   13:31
	        

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