200Vogt Paul: «Das Schwierigste, der Anfang, ist
geschafft»
fassende Protokolle, wobei in der Regel keine Details wiedergegeben wurden. Grundsätzlich war die Veröf- fentlichung der Landtagsprotokolle erwünscht. Mit der Vorgabe, dass die Liechtensteinische Landeszeitung die Landtagsprotokolle publizierte, bewilligte der Landtag der ersten liechtensteinischen Zeitung einen jährlichen Beitrag von 75 Gulden.43 Herausgeber der Zeitung war Reallehrer Gregor Fischer, der selber auch Landtagsab- geordneter war; Redaktor war Landtagspräsident Karl Schädler. 1866 wurde die erste Landeszeitung bereits wieder eingestellt, da Reallehrer Gregor Fischer das Land verliess und sich niemand bereit fand, die Zeitung weiterzuführen. Die Nachfolgezeitungen – die Liechten- steiner Wochenzeitung, das Liechtensteiner Volksblatt, die Oberrheinischen Nachrichten, die Liechtensteiner Nachrichten und das Liechtensteiner Vaterland – fun- gierten als Amtsblätter und publizierten auch die Land- tagsprotokolle. Wie aus dem Konflikt um die Veröffent- lichung der Landtagsprotokolle im Jahr 1895 hervorgeht, wurde in der Praxis der Wortlaut der Protokolle bei der Publikation zwischen dem Landesverweser und dem Landtagsbüro einvernehmlich geregelt – was den Sinn der Genehmigung der Protokolle durch den Landtag in Frage stellte. Die handschriftlichen (ab ca. 1901 auch ma- schinenschriftlichen), vom Landtag genehmigten Land- tagsprotokolle in den Landtagsakten und der Wortlaut der in den Zeitungen publizierten Landtagsprotokolle weichen mitunter nicht unwesentlich voneinander ab. Interessanterweise sind die Protokolle in den Landeszei- tungen in der Regel sorgfältiger abgefasst und meist auch informativer als die offiziellen, unterschriebenen Proto- kolle in den Landtagsakten. Die Landtagssitzungen waren gemäss § 21 der Ge- schäftsordnung öffentlich, ausnahmsweise konnte die Öffentlichkeit für einzelne Traktanden auf Beschluss des Landtags oder auf Verlangen des Regierungskommissärs ausgeschlossen werden. Insgesamt gab es von 1862 bis 1918 nur fünf nichtöffentliche Sitzungen:44 – am 23. Februar 1863 bei der Behandlung des Zollver- trags mit Österreich; – am 26. Oktober 1863 erneut bei der Behandlung des Zollvertrags mit Österreich; – am 25. August 1864 bei der Behandlung des Rück- trittsgesuchs des Abgeordneten Markus Kessler; – am 6. Juli 1866 bei der Behandlung des Ausmarsches des Kontingents ins Tirol, der von Fürst Johann II. an-
und 31. Mai, ab 1901 bis 1921 zwischen dem 15. und 31. Oktober. In den ersten Jahren fand vor der Eröffnungssit- zung eine feierliche Messe in der Pfarrkirche Vaduz statt, davon kam man jedoch wieder ab. Erst 1901 wurde diese auf Vorschlag von Albert Schädler wieder eingeführt. Die Eröffnungssitzung hatte einen fixen Ablauf: Den Vorsitz führte der Alterspräsident. Zuerst gab der Landesverwe- ser (oder Regierungskommissär, wie er auch genannt wurde) die fürstliche Verordnung betreffend die Einbe- rufung des Landtags bekannt. Dann folgten die Wahlen des Landtagspräsidenten, des Landtagsvizepräsidenten, der Landtagssekretäre und der Kommissionen. Schliess- lich wurden die «Einläufe» bekanntgegeben, das heisst die Geschäfte, die in der Landtagssession zu behandeln waren. Im Anschluss an diese Traktanden konnten keine weiteren Traktanden behandelt werden, weil die Bestäti- gung des Landtagspräsidenten durch den Landesfürsten abgewartet werden musste. Die Landtagsauflösung am Ende der Session erfolgte auf ähnlich feierliche Weise: Zunächst wurde der Lan- desausschuss gewählt, dann verlas der Landesverweser ein fürstliches Schreiben, in dem er mit der Schliessung des Landtags beauftragt wurde und schliesslich hielt der Landtagspräsident eine kurze Dankesrede, die mit einem dreifachen Hoch auf den Landesfürsten endete. Wie in Hohenzollern sah die liechtensteinische Ge- schäftsordnung die Möglichkeit vor, dass der Landtag durch den Landesfürsten persönlich – was wohl als un- wahrscheinlich angenommen wurde – oder durch einen Spezialbevollmächtigten (in der Praxis also durch den Landesverweser) eröffnet wurde. Gemäss Geschäftsord- nung konnte der Landtag auf die Eröffnungsrede mit einer «Antwortadresse» reagieren, was den feierlichen Charakter einer solchen Eröffnung verstärkte und das gute Einvernehmen zwischen Landtag und Fürst noch- mals unterstrich. In der Praxis machte sich der Landtag diese Mühe aber nur in den ersten beiden Jahren, danach wurde auf die Adresse an Seine Durchlaucht verzichtet.41 Eine gewöhnliche Landtagssitzung begann mit dem Verlesen und der Genehmigung des Protokolls der letzten Landtagssitzung. Im Gegensatz zu Hohenzol- lern-Sigmaringen wurden die Landtagsprotokolle nicht gedruckt – dieser Aufwand schien nicht gerechtfertigt. Die Landtagsprotokolle wurden von zwei Abgeordne- ten – den Schriftführern42 – verfasst. Es wurden keine Wortprotokolle erstellt, sondern lediglich zusammen- Kapitel_9_Vogt.indd 20022.10.12 13:31