Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

182Haupt Herbert: Ein Herr von Stand und 
Würde 
worden waren, fanden ihr bewunderndes Publikum. Sie galten wie die zur gleichen Zeit entstandenen Palais des Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan (1663–1736), eines persönlichen Freundes des Fürsten, als Höhepunkte ba- rocker Baukunst in der Kaisermetropole Wien. In der Person von Fürst Johann Adam I. Andreas ver- schmolz das von seinem Vater Karl Eusebius eindrucks- voll vorgelebte Idealbild des «adeligen Landmannes» mit der Notwendigkeit, Stand und Würde durch die Anwesenheit bei Hof in Wien zu repräsentieren. Jo- hann Adams Schwiegervater, Fürst Ferdinand Joseph von Dietrichstein (1636–1698), erleichterte in seiner Funktion als kaiserlicher Obersthofmeister den sukzes- siven Zugang und Aufstieg in der hierarchischen Ord- nung des Wiener höfischen Adels. War die Ernennung zum Geheimen Rat durch Kaiser Leopold I. (1640–1705) im Jahre 1687 ein erstes Zeichen der Wertschätzung, so bedeutete die im März 1694 durch König Karl II. von Spanien (1661–1700) gewährte Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies den Schritt in die erste Reihe des europäischen Hochadels. Die schon angesprochenen aussergewöhnlichen ökonomischen Fähigkeiten des Für- sten blieben auch am Kaiserhof nicht unbemerkt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Kaiser Leopold I. ihrer zur Sanierung der höchst angespannten kaiserlichen Finanzen bediente. Leopold ernannte Fürst Johann Adam I. Andreas 1699 zum Präsidenten einer neu eingesetzten Kommission zur Abstellung der Mängel im kaiserlichen Kameral- und Finanzwesen. Berechnungen wurden an- gestellt, Gutachten verfasst und Vorschläge unterbreitet, doch letztlich scheiterte die geplante Reorganisation am Beharren der um ihre Existenz bangenden kaiserlichen Beamtenschaft. Verwaltungsreformen waren schon im- mer ein schwieriges, schier undurchsetzbares Unterfan- gen gewesen! Der erfolgsgewöhnte Fürst zog die Konse- quenz und trat den Vorsitz der Kommission ab.24 
Noch ein zweites Mal waren der Reichtum und das Fachwissen von Johann Adam I. Andreas gefragt. 1703 wurde nach ve- nezianischem Vorbild auf Betreiben von Kaiser Leopold I. in Wien der erste Banco del Giro gegründet und Fürst Johann Adam I. Andreas zu deren Präsidenten ernannt. Das vorrangige Ziel der Bank war die Abwendung des Staatsbankrotts, der nach dem Konkurs und dem Tod des Hofbankiers Samuel Oppenheimer (1630–1703)25 drohte. Die Bank übernahm die Gesamtschulden des Staats an Oppenheimer in der Höhe von sieben Millionen Gulden 
Auffallend sind die akribischen Recherchen, die jeder Neuerwerbung vorausgingen. Nichts wurde dem Zufall überlassen und die zum Kauf vorgesehenen Herrschaf- ten einer genauen Kosten-Nutzen-Rechnung unterzo- gen.18 Erst wenn diese ein positives Ergebnis erbrachte, wurde die Erwebung realisiert. Neben den wirtschaftli- chen Erwägungen bestand das Ziel der Einkaufspolitik von Fürst Johann Adam I. Andreas in der zusammen- fassenden Ergänzung vorhandener Besitzkomplexe im nordmährischen Raum sowie im niederösterreichisch- südmährischen Grenzbereich.19 
Das ganze Ausmass der Einkaufspolitik belegt eine Zahl: Fürst Johann Adam I. Andreas wandte für Gütererwerbungen die astrono- mische Summe von mehr als 3½ Millionen Gulden auf. Dies entsprach in etwa dem Gesamtwert des dem Re- gierer des fürstlichen Hauses zustehenden unveräusser- lichen Grundbesitzes der Familie! Wie gross die finanziellen Möglichkeiten von Fürst Johann Adam I. Andreas waren, zeigen auch seine kul- turellen Aktivitäten: er sammelte in bisher nicht da ge- wesenem Ausmass Kunstwerke aller Art, vor allem aber Gemälde,20 und er pflegte, wenn auch in zeitgemäss mo- difizierter Form, die von Fürst Karl Eusebius zu interna- tionalem Ansehen geführten Gestüte weiter. In besonde- rer Weise trat Johann Adam I. Andreas aber als Bauherr in Erscheinung. Dem Ratschlag und den Ideen seines Vaters folgend liess der Fürst auf seinen Herrschaften Kirchen und Schlösser umbauen, renovieren oder über- haupt neu errichten. Johann Adam I. Andreas residierte in Schloss Feldsberg, hielt sich aber immer öfter und im- mer längere Zeit in Wien auf. Der fürstliche Rang machte den Neubau eines grossen innerstädtischen Palastes not- wendig, der der kaiserlichen Hofburg möglichst nahe gelegen sein sollte. Das ausgeprägte Standesbewusstsein und der Wettstreit mit anderen hochadeligen Familien erforderten zudem die Errichtung eines repräsentativen Sommerpalastes vor den Toren der Stadt.21 
Für beide Bauvorhaben gewann Johann Adam I. Andreas in der Person des aus dem italienischen Lucca stammenden Architekten Domenico Martinelli (1650–1719)22 einen Hauptmeister der barocken Baukunst. Das Gartenpalais in der Rossau verstand sich zudem als Zentrum und Ausgangspunkt der von Johann Adam I. Andreas auf eigenem Grund und Boden neu geschaffenen Mustersied- lung Lichtental.23 Die prunkvolle Ausstattung der beiden Palastbauten, bei der keine Kosten und Mühen gespart Kapitel_8_Haupt.indd   18222.10.12   12:53
	        

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