Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

168Ospelt Alois: 1712–2012. 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 
2012 
Gesamtbevölkerung haben zwar keine Rechtskraft mehr, aber eine erhebliche symbolische Ausstrahlung. Diese besonderen öffentlichen Akte finden in der Staatsform der Monarchie und in der Verankerung der Staatsgewalt in einem monarchischen und demokrati- schen Prinzip ihre Erklärung. Die überschaubaren und kleinräumigen Verhältnisse ermöglichen ein unmittel- bares, persönliches Verhältnis zwischen Fürst und Volk. Angesichts des raschen sozialen und kulturellen Wan- dels stellt sich jeder Generation erneut die Frage, ob und wie die politische und emotionale Grundlage für einen solchen symbolischen Akt auch in Zukunft erhalten bleiben 
kann. Frühere Jubiläumsfeierlichkeiten zum Herrschaftsübergang von 1712 Fragen wir uns noch, wie frühere Generationen Jubiläen des historischen Ereignisses von 1712 begangen 
haben. Keine Jubiläumsfeiern im 19. Jahrhundert Das 100-jährige Jubiläum 1812 und das 150-jährige Jubiläum 1862 wurden nicht begangen. Das Bewusst- sein für einen 1712 gesetzten geschichtlichen Markstein und damit die Voraussetzung für eine patriotische Feier waren damals offensichtlich nicht gegeben. Geschichte als Wissenschaft entstand erst im 19. Jahrhundert. Nur allmählich bildete sich in Liechtenstein ein eigentliches Geschichtsbewusstsein heraus. Peter Kaiser (1793–1864) lieferte mit seinem Geschichtswerk46 
die wesentliche Grundlage dazu. Das Bedürfnis, die Erinnerung u. a. an den Herrschaftsübergang von 1712 zu pflegen und zu feiern, entstand erst später. Zweihundertjahrfeier 1912 1899 war im Liechtensteiner Unterland das 200-jäh- rige Jubiläum des «Anschlusses an das liechtenstei- nische Fürstenhaus»47 mit einer würdigen Gedenkfeier begangen worden. Die Initiative zur Feier war von den Unterländer Gemeindevorstehern ausgegangen. Der Anstoss für die «Gedenkfeier des Anschlusses der Graf- schaft Vaduz an das Fürstenhaus Liechtenstein und der Wiedervereinigung derselben mit Schellenberg»48 ging vom Landtag aus. Er beauftragte den Landesausschuss, die Gedenkfeier im Jahre 1912 «durch seine Mitarbeit 
und Unterstützung zu einem schönen und würdigen pa- triotischen Feste zu gestalten».49 Die Feier wurde als An- lass des ganzen Landes konzipiert und von einem pro- minent besetzten Festausschuss vorbereitet. Unter dem Titel «Bilder aus der Geschichte» verfasste Kanonikus und Schulkommissär Johann Baptist Büchel50 ein dramatisches Festspiel in vier Akten mit Bildern aus der Zeit des Herrschaftsübergangs 1712. Das Schauspiel erschien bereits vor der Jubiläumsfeier in gedruckter Form51 und war als deren Mittelpunkt bestimmt. Das Fest war auf Sonntag, den 30. Juni angesetzt. An diesem Tag konnte jedoch nur eine Hauptprobe stattfinden, an der sämtliche Schulkinder des Landes teilnahmen. Als Fest- und Schauplatz diente die nördlich von Schloss Va- duz gelegene Wiese Quadretscha. Der Schulkommissär hielt eine Ansprache, in der er auf die dem Jubiläum zu Grunde liegenden historischen Ereignisse einging und dann vornehmlich Fürst Johann II. (1840–1929) als gü- tigen Wohltäter und Landesvater pries.52 Am Vortag der auf Sonntag, 7. Juli verschobenen Zweihundertjahrfeier trafen als Vertreter der fürstlichen Familie die Prinzen Eduard (1872–1951) und Karl von Liechtenstein (1878–1955) in Begleitung weiterer Hono- ratioren ein. Die Gäste aus Wien besichtigten am Nach- mittag das jüngst restaurierte Schloss Vaduz. Am Abend versammelten sie sich zusammen mit weiteren Ehrengä- sten zu einer Tafel im fürstlichen Absteigquartier. Hö- henfeuer auf der Mittagsspitze, den Heubergen und dem Kuhgrat kündigten den kommenden Festtag an.53 Das Fest begann mit einem vom Bischof von Chur ze- lebrierten Pontifikalamt in der Pfarrkirche Vaduz. In der 46  Kaiser, Peter: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein: nebst Schilderungen aus Chur-Rätien’s Vorzeit, 1847. Neu hrsg. von Arthur Brunhart. Vaduz, 1989. 47 LVolksblatt 1899, 12. Mai. Nr. 19, S. 1. 48  LTP 1911/52, 12. Dezember 1911. – LTA 1911/S 4/1, 12. Dezem- ber 1911. 49 Ebenda. 50  Johann Baptist Büchel (1853–1927), Pfarrer in Triesen, Prälat, Landesschulkommissär, Landtagsabgeordneter 1890–1906 und 1918–1920). 51  Büchel, Johann Baptist: Bilder aus der Geschichte: dramatisch vorgeführt am Jubiläums-Feste zur 200. Wiederkehr des Jahres- tages der Übergabe der Graffschaft [sic] Vaduz an das fürstliche Haus Liechtenstein: 1712–1912. 52 LVolksblatt 1912, 5. Juli. Nr. 27, S. 1. 53 LVolksblatt 1912, 12. Juli Nr. 28, S. 1–2. Kapitel_7_Ospelt.indd   16822.10.12   12:43
	        

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