Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

166Ospelt Alois: 1712–2012. 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 
2012 
an die Grafschaft Hohenems gebunden gewesen. Dieser Standpunkt des Schwäbischen Kreises drohte die ganze Erwerbungspolitik des Fürstenhauses Liechtenstein platzen zu lassen. In dieser Lage trug sich Fürst Josef Jo- hann Adam (1690–1732), der Regierungsnachfolger des im Oktober 1721 verstorbenen Fürsten Anton Florian, gar mit dem Gedanken, Vaduz und Schellenberg wieder gegen einen gleichwertigen Besitz in Österreich abzu- geben. Er kam jedoch davon ab und rief den Kaiser um Hilfe an. Schliesslich erliess der Kaiser44 
am 7. April 1723 ein klares Dekret an den Reichstag, worauf das Kurfürsten- kollegium und der Reichsfürstenrat im August des glei- chen Jahres beschlossen, das Sitz- und Stimmrecht Fürst Josefs und seiner Erben und Nachkommen im Reichs- fürstenrat «künftig beständig und wirklich fortzuführen». Damit war, nach fast hundertjährigen Bemühungen, die Lösung endgültig. Bis zu seiner Auflösung im Jahr 1806 waren die Fürsten von Liechtenstein Mitglieder im Reichstag mit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat. Diese Stellung und die Schaffung eines Fürstentums Liechtenstein sollten später dem Land, aber auch dem Fürstenhaus, vielfach zugutekommen. Soweit die geschichtlichen Ereignisse um die Herr- schaftsübergänge an das Fürstenhaus Liechtenstein und die Entstehung des Fürstentums Liechtenstein. Angefügt seien noch einige kürzere Exkurse, die in die Gegenwart führen. Zur Bedeutung der Huldigungen45 Auf die Verkaufsvorgänge selbst hatten die Untertanen keinerlei Einfluss. Sie brachten aber jeweils bei den Hul- digungen ihre Forderungen ein, 1699 die Unterländer, 1712 die Oberländer und 1718 beide Landschaften. Sie verlangten insbesondere, dass man sie bei ihren alten Rechten belassen und schützen möge. Nach früheren Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Landesherren waren diese Rechte in Verträgen und Vergleichen festge- schrieben und zugesichert worden. Der Regierungsantritt eines neuen Landesherrn liess sich in der zeitgenössischen Vorstellung nicht ohne eine förmliche Verpflichtung der davon betroffenen Unter- tanen in einem Huldigungsakt denken. Huldigungs- pflichtig waren die erwachsenen, volljährigen und waf- 
damals noch nicht zum liechtensteinischen Fideikom- miss. Der Fürst konnte deshalb über diese Besitzungen frei verfügen. Sie gingen nicht an seinen Regierungs- nachfolger Fürst Anton Florian (1656–1721), sondern ge- mäss Testament41 an dessen noch minderjährigen Neffen Joseph Wenzel (1696–1772). Fürst Anton Florian erreichte auch ohne den Besitz der beiden Landschaften die Zulassung zum Reichstag, allerdings nur für seine Person und nicht für seine Nach- folger. Er wurde dank kräftiger Unterstützung durch Kaiser Karl VI.42 
1713 in den Reichsfürstenrat aufgenom- men, obwohl er kein reichsfürstenmässiges Territorium besass. Die Einführung in den Reichstag in Regensburg wurde mit einem grossen Fest gefeiert. 1718 wurde Fürst Joseph Wenzel volljährig. Alle Mit- glieder des Hauses Liechtenstein befanden nun, dass Va- duz und Schellenberg, mit denen Sitz und Stimme auf den Reichstagen verbunden waren, auf den regierenden Fürsten übergehen sollten. Daher tauschte Joseph Wen- zel kurz nach seiner Volljährigkeit mit seinem Onkel Anton Florian Vaduz und Schellenberg gegen die böh- mische Herrschaft Rumburg, die er 1681 um 270’000 Gulden erworben hatte. Sofort nach diesem Tausch wurden Vaduz und Schellenberg zusammen mit den 1707 dem Schwä- bischen Kreis geliehenen 250’000 Gulden zum Fidei- kommiss geschlagen. Die beiden Herrschaften wurden somit unveräusserlicher Familienbesitz, vererbbar in der Primogenitur. Die Übergabe der getauschten Herrschaften und die Huldigung der Untertanen fanden am 5. September 1718 statt. Wenige Monate später, am 23. Januar 1719, wurden die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz von Kaiser Karl VI.43 
zu einem unmittelbaren Reichs- fürstentum mit dem Namen Liechtenstein erhoben. Das neue Fürstentum Liechtenstein wurde das 343. Mitglied des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Nun schien das Ziel des Fürstenhauses endgültig er- reicht. Die Aufnahme in den Reichstag blieb jedoch ein Problem. Als Fürst Anton Florian 1721 seinen Landvogt an den Schwäbischen Kreistag nach Ulm schickte, be- richtete ihm dieser, dass dort die Grafen von Hohenems Sitz und Stimme nie für Vaduz in Anspruch genommen hätten. Vaduz wäre zwar seit Jahrhunderten ein reichs- unmittelbarer Stand des Reichs gewesen. Das hohenem- sische Stimmrecht sei jedoch nicht an Vaduz, sondern Kapitel_7_Ospelt.indd   16622.10.12   12:43
	        

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