Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

164Ospelt Alois: 1712–2012. 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 
2012 
die zwei Punkte gleich eine genügende Antwort zu ge- ben und sie zufrieden zu stellen.25 Auf den 9. Juni 1712, sieben Uhr früh war die ge- samte Mannschaft, also die waffenfähigen Untertanen des Oberlands nach Vaduz, «auf den Platz bei dem all- daigen Schützenhaus mit ihrem Untergewehr unter der Linden»26, den Versammlungsort der Landsgemeinde, bestellt.27 Dort war dann zunächst wohl längeres Warten angesagt. Der Kanzler des Fürstabts hatte nämlich nach dem Treffen vom Vortag «unter der Hand vernommen, dass einige unruhige unter denen Gemainden noch vorhan- den» seien. Diese hatten sich mit seinen Erklärungen nicht zufrieden gegeben, sondern wollten noch vor der Huldigung wirkliche Belege für die Schuldablösung se- hen. Und so fand der Kanzler es für gut, «des morgens vor der Huldigung Landtamman undt Gericht, nebst de- nen alle alte Landtammänner undt die verständigeren aus denen Gemeinden» zu ihm zu bestellen. Er legte ih- nen im Beisein des Landvogts das Reskript des Kaisers28 an den Fürstabt von Kempten zur Herrschaftsübergabe an den Fürsten von Liechtenstein vor und erläuterte ihnen, dass sie sowohl hinsichtlich ihrer Freiheiten als auch wegen der Bezahlung der Schulden unbesorgt sein könnten. Der Käufer habe die Rechte der Untertanen zu achten. Diese seien im Kauf inbegriffen, der Kaiser habe keine Änderung vorgenommen. Er hoffe, sie würden die Huldigung nicht weiter verweigern und aufhalten. Dann entliess er sie mit dem Befehl, sich auf den Platz zu den übrigen Untertanen zu begeben und ihnen zu berichten, was sie bei ihm gehört und gesehen hätten.29 Die Zusammenkunft fand wohl im Gasthof Löwen in Vaduz statt. Denn ebenfalls dort, in des Landammanns «Peter Walsers Behausung in der unteren Wohnstube, deren Fenster an den daran liegenden Rebgarten gegen das Schloss gerichtet»30, hatten sich zwischen 9 und 10 Uhr, ein kaiserlicher Notar mit zwei als Zeugen gela- denen Feldkircher Bürgern zur Beglaubigung der Herr- schaftsübergabe eingefunden. Zugegen war auch Land- vogt Paur. Vorgelegt und eingesehen wurden –  das kaiserliche Reskript an den Fürstabt von Kemp- ten, in dem der hohenemsisch-liechtensteinische Kaufvertrag bestätigt, der Fürstabt von seinem Amt als Administrator entlastet und die Abtretung der Landesherrschaft und der Untertanen an den Fürsten von Liechtenstein verfügt wurden;31 
von Blömegen nach Feldkirch zum fürstlich-liechtenstei- nischen Landvogt Johann Franz Paur, um die notwen- digen Vorbereitungen zur Übergabe der Herrschaft zu treffen. Vom Landvogt der Herrschaft Schellenberg er- fuhr er, dass die Oberländer Untertanen Schwierigkeiten machten. Sie wollten nur huldigen, wenn man ihnen vorher die abgelösten Schuldbriefe der Bündner und Feldkircher Gläubiger gezeigt habe.22 Der Landvogt wollte deshalb bereits eine Stafette nach Wien abschicken, um schleunigst das Geld zur Be- zahlung der Schuldposten oder eine entsprechende Ver- sicherung «von höheren Orten» zu besorgen. Dazu kam es nicht. Der Kanzler überzeugte den Landvogt, dass sich die Untertanen «durch ernstliche, guete und scharpfe Zuesprechungen» schon zur Huldigung weisen liessen.23 Eine weitere ernsthafte Schwierigkeit bereitete einer der Graubündner Gläubiger. Er erklärte, dass der zur Schuldbegleichung festgesetzte Termin zur Exekution und Schätzung der auf Bündner Gebiet gelegenen Gü- ter von Vaduzer Untertanen längst verstrichen sei. Nicht einmal die rückständigen Zinsen seien bezahlt worden. Am nächsten Gerichtstag in Maienfeld werde die Exeku- tion fortgesetzt. Das war eine peinliche Nachricht unmit- telbar vor der geplanten feierlichen Huldigung. Da vor Ort kein Geld aufzutreiben war, liess der Kanzler in der Notlage durch einen Boten in Kempten 7’000 Gulden aus seinem eigenen Privatvermögen holen, um sie den nach Balzers berufenen Herren Guler und von Salis von Mai- enfeld «in den offen und in Bereitschaft gehabten Sack zu schütten».24 Nach Beseitigung dieses Hindernisses legten Kanz- ler und Landvogt den Tag der Herrschaftsübergabe und Huldigung auf Donnerstag 9. Juni fest. Da meldeten sich am Tag zuvor der Vaduzer Landammann und die zwölf Richter beim Kanzler. Sie ersuchten darum, dass vor der Herrschaftsübergabe ein Advokat aus Lindau als Fürsprecher der Untertanen ihre Forderungen vortragen dürfe. Es gehe ihnen um die alten Freiheiten und Lands- bräuche. Sie möchten auch Gewissheit über die Ablö- sung ihrer für die Herrschaft übernommenen Schulden haben. Der Kanzler hielt dagegen. Er sei nicht gesinnt, «auf offenem Platz» beim Huldigungsakt mit ihnen «zu capitulieren». Das würde Kaiser und Fürst, in deren Na- men er und der Landvogt da wären, «zu nahe gehen und beleidigen». Er sei jedoch bereit, sie in einem Zimmer anzuhören. Es gelang dem Kanzler, der Delegation über Kapitel_7_Ospelt.indd   16422.10.12   12:43
	        

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