Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

163 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 
2012Landesherrschaft 
vereinigt. Mit den beiden Herrschaften zusammen verfügte der Fürst nun über ein reichsunmit- telbares Territorium, das zum Einsitz in den Reichsfür- stenrat berechtigte. Ohne den Kauf der Grafschaft Vaduz wäre das Fürstentum Liechtenstein nicht entstanden, der spätere Weg zum selbständigen Staat nicht frei gewor- den. Bei beiden Käufen hatte damals allerdings keinerlei Interesse an Land und Leuten bestanden. Einziger Zweck der Erwerbungen waren Sitz und Stimme im Reichsfür- stenrat. Die während der Regentschaft von Fürst Johann Adam I. für Liegenschaftserwerbungen aufgelaufenen Gesamtausgaben bezifferten sich auf mindestens 3,6 Millionen Gulden. Im Vergleich dazu nahmen sich die Kosten für die dem Grafen von Hohenems abgekauften Besitzungen Schellenberg (115’000 Gulden) und Vaduz (290’000 Gulden) eher unbedeutend aus. Gar nicht ins Gewicht fielen deren jährliche Erträge von 2’000 bis 4’000, beziehungsweise 4‘000 bis 7‘000 Gulden. Die Huldigung vom 9. Juni 1712 in Vaduz Im Huldigungsakt wurde die neu eingegangene Ver- bindung zwischen den Untertanen der Oberen Land- schaft (Oberland) und dem Fürstenhaus Liechtenstein öffentlich besiegelt. Nach einem Bericht des Kanzlers des Fürstabts von Kempten20 
und einem von einem kaiser- lichen Notar angefertigten Protokoll und Beglaubigungs- instrument21 lässt sich der Ablauf dieses herausragenden Ereignisses wie folgt beschreiben: Einige Tage vor der Huldigung reiste im Auftrag des Fürstabts Rupert von Kempten dessen Kanzler Jodok 
Jahrelang wehrte sich der Vormund des erwähnten Gra- fen Franz Wilhelm III. von Hohenems, Graf Franz Ma- ximilian von Königsegg-Aulendorff (1669–1709), erfolg- reich gegen einen Verkauf von Vaduz. Er berief sich darauf, dass die Grafschaft zu dem durch Fideikommiss geschützten Hohenemser Familienbesitz gehöre und des- halb nicht veräussert werden dürfe. Eine Lösung ergab sich erst, als Fürst Johann Adam I. die ebenfalls unter kaiserlicher Zwangsverwaltung befindliche Herrschaft Bi- strau in Böhmen (heute Bystré in Tschechien) kaufte und dann mit Jakob Hannibal III. gegen Vaduz tauschte. Der Kaiser18 bewilligte 1708 die Übertragung des Fideikom- misses von Vaduz auf Bistrau und 1710 deren Tausch mit Vaduz. Mit dem Erwerb der Herrschaft Bistrau, die weit ertragreicher war als Vaduz und Schellenberg zusammen, konnten einigermassen solide wirtschaftliche Grundlagen für die gräfliche Familie Hohenems hergestellt werden. Somit wären eigentlich alle Hindernisse für den Er- werb der Grafschaft Vaduz durch Fürst Johann Adam I. beseitigt gewesen. Doch dieser zeigte mittlerweile im- mer weniger Interesse an diesem Kauf. Er hatte 1707 dem Schwäbischen Reichskreis ein zinsloses Darlehen von 250’000 Gulden zur Verfügung gestellt und war nun nicht mehr bereit, weiteres Kapital für den Kauf von Vaduz aufzubringen. Das Darlehen für den Reichskreis sollte einstweilen als Ersatz bis zum Erwerb eines reichs- unmittelbaren Besitzes dienen. Der Fürst bekam dafür das Recht, auf der Fürstenbank an den Schwäbischen Kreistagen teilzunehmen. Die Hohenemser Grafen hat- ten bei den Kreisversammlungen auf der Grafenbank gesessen. Der Eintritt in den Reichsfürstenrat blieb Fürst Johann Adam I. jedoch noch versagt. Wie erwähnt, hatte der Fürst inzwischen, nach er- müdenden jahrelangen Verhandlungen, sein Interesse am Kauf von Vaduz verloren und wollte vom Vertrag zurücktreten. Erst unter deutlichem Druck des Kaisers19 liess er sich schliesslich bewegen, den Kauf zu vollzie- hen. Sein Anwalt unterzeichnete am 22. Februar 1712 beim Reichshofrat in Wien den Kaufvertrag. Die Kaufsumme von 290’000 Gulden ermöglichte die endgültige Schuldensanierung. Nachdem die kaiserliche Vertragsgenehmigung erfolgt war, fand am 9. Juni 1712 in Vaduz die Huldigung der Untertanen der Oberen Landschaft statt. Nach 13 Jahren der Trennung waren die Oberländer und Unterländer Untertanen wieder unter der gleichen 
16 Leopold I., Regent 1658–1705. 17 Leopold I., Regent 1658–1705. 18 Joseph I., Regent 1705–1711. 19 Karl VI., Regent 1706–1714. 20  Bericht Blömegen = Bericht von Hermann Jodok von Blöme- gen, Kanzler des Fürstabts von Kempten, an seinen Dienstherrn Rupert von Bodmann, Stift Kempten, 25. Juni 1712. 10 Seiten. – Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staats- archiv. [ÖStat – 1712.06.05 (Schlussbericht).pdf.] 21  Huldigungsprotokoll = Protokoll und Beglaubigungsinstrument des Huldigungsaktes vom 9. Juni 1712 in Vaduz, verfertigt vom kaiserlichen Notar Magister Johann Kaspar Scherer aus Feldkirch. 20 Seiten. («Instrumentum publicum immissionis, et Homagij subsecuti etc. dd. 9ten Junij Ao. 1712. Die Reichsgrafschaft Vaduz betreff.») Exemplare im Österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv. [ÖStat – 1712.06.09 (Huldigung). pdf.] und im Liechtensteinischen Landesarchiv. [Inv. Nr. 1/3/3]. Kapitel_7_Ospelt.indd   16322.10.12   12:43
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.