Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

145 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 
2012 
Franz I. und Fürstin Elsa erwiesen sich bei ihren Besu- chen in Liechtenstein als volksverbunden. Die Fürstin zeigte sich gerne in einer volkstümlichen Tracht. Fürst Franz I. scheute es im Gegensatz zu Johann II. nicht, öf- fentlich das Wort zu ergreifen, wobei er nicht nur blosse Dankesworte aussprach. Er war der erste Fürst, der sel- ber im Landtag sprach. So appellierte er in seiner Regie- rungserklärung vom 11. August 1929 an die Abgeord- neten: «Wenn unsere Arbeit zu einem ganzen Erfolge führen soll, so müssen wir vor allem der Worte des Wil- helm Tell gedenken: Seid einig, einig, einig!»69 
In solchen direkten Appellen an die Politiker unterschied er sich deutlich von seinem Vorgänger Fürst Johann II. Fürst Franz I. und Fürstin Elsa waren sich bewusst, welche Bedeutung ihren öffentlichen Auftritten zukam. Sie besuchten regelmässig die Gemeinden. Fürstin Elsa, 1875 geboren und damit 22 Jahre jünger als Fürst Franz, scheint an ihrer Rolle Gefallen gefunden zu haben. Sie war sich bewusst, dass Einstellungen und Wertvorstel- lungen schon in der Jugend stark geprägt werden und sah deshalb in der Jugendpflege eine wichtige Aufgabe. Sie kümmerte sich um die Schuljugend, die sie sowohl bei ihren Besuchen wie auch an Weihnachten regelmä- ssig beschenkte. Die Pfadfinder und Pfadfinderinnen förderte sie sowohl materiell wie auch durch symbol- trächtige Handlungen. 1932 wurde sie Fahnenpatin der Pfadfinderorganisation, die Fahnenweihe war eine ein- drückliche patriotische Feier. Die Fürstin wandte sich mit denkwürdigen Worten an die Pfadfinder: «Ich freue mich, diese Fahne Euch überreichen zu können und übergebe Euch diese Flagge mit den Worten: Für Gott, Fürst und Vaterland! Viel Segen und Ehren wünsche ich Euch!»70 
Soweit bekannt, war dies das erste Mal, dass die Devise «Für Gott, Fürst und Vaterland!» im Sinne eines Appells offiziell verwendet wurde. Die Formulierung an sich war nicht neu, sie wurde schon früher verwendet, um Soldaten moralisch aufzubauen, die in den Krieg zo- gen und bereit sein sollten, ihr Leben für das Vaterland zu opfern. In Liechtenstein war der Kontext ein anderer: Politisch richtete sich dieser patriotische Aufruf gegen nationalsozialistische (und wohl auch sozialistische) Be- mühungen, die Jugend zu gewinnen. Der Appell ist aber nicht nur politisch zu verstehen, er hat auch eine reli- giöse Komponente. Die Dreiheit «Gott, Fürst und Vater- land» hat etwas Mystisches. Angesprochen wird weniger die Vernunft als das Empfinden. Im christlichen Glauben 
besteht das Geheimnis der göttlichen Dreieinigkeit da- rin, dass drei Personen eine Einheit bilden. Mit der Drei- heit «Gott, Fürst und Vaterland» wird ebenfalls auf ein Geheimnis verwiesen, aus dem das kleine Staatswesen Mut und Kraft schöpfen soll. Die Menschen erlebten und verstanden den Appell, sie wussten, was gemeint war, es wäre ihnen aber schwer fallen, das Gefühlte und Emp- fundene in eigene Worte zu fassen. Die liechtensteinische Identität basierte nicht nur, aber auch auf einem erlebten und gefühlten Wertesystem. An der erwähnten Fahnen- weihe hat Rudolf Meier,71 
der die Messe zelebrierte und die Predigt hielt, folgende Worte dafür gefunden: «In Eueren Herzen seid Ihr Liechtensteinisch, Ihr seid katho- lische Pfadfinder und darauf müsst Ihr stolz sein und es der ganzen Welt stolz zeigen. Die Farben der Fahne sind die Farben des Landes: Rot und Blau. Rot die Liebe, blau die Treue. Diese Symbolik vergesset nie. Treu Euerem Glauben, treu Euerem Fürsten, treu dem Vaterland! Liebe Euerem Gott, Liebe dem Fürsten, Liebe den Eltern, Liebe untereinander, Liebe dem Vaterland!»72 1934 besuchte der Fürst, der gesundheitlich schon stark geschwächt war, das Fürstentum ein letztes Mal. Seine Abwesenheit verhinderte nicht, dass man ihm Dankbarkeit und Wertschätzung bezeugte. Der Landtag würdigte am 28. August 1937 den greisen Fürsten anläss- lich seines 85. Geburtstags mit einer Festsitzung. Pfarrer 66  Liechtensteiner Volksblatt vom 14. August 1929, S. 1. 67 Liechtensteiner Volksblatt vom 13. August 1929. 68  Franz I. hatte mit Elsa Erös von Bethlenfalva, die in der Fami- lie als nicht standesgemäss galt, schon vor 1919 insgeheim eine nach Kirchenrecht erlaubte «Notehe» geschlossen. Wenige Mo- nate nach dem Tod seines Bruders Johann II. heiratete er Elsa am 22. Juli 1929 auch offiziell, aber ohne öffentliches Aufsehen zu erwecken. Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissi- gerjahren: 1928–1939. Vaduz und Zürich 1997, Bd. 1, S. 119. 69  Liechtensteiner Nachrichten vom 17. August 1929, S. 1. Dass dem Fürsten die Einigung am Herzen lag, geht aus einem Nachsatz im Bericht der Liechtensteiner Nachrichten hervor: «Als dann der Präsident des Landtages um 11 3/4 Uhr die Festsitzung geschlos- sen hatte und das Fürstenpaar sich anschickte den Landtagssaal zu verlassen, wendete sich Seine Durchlaucht noch einmal an die Versammelten mit den eindringlich gesprochenen Worten: ‹Nochmals: Seit einig, einig, einig, haltet zusammen!›» 70 Liechtensteiner Volksblatt vom 1. September 1932, S. 1. 71  Prof. Dr. Rudolf Meier (1898–1957) stammte aus Mauren. Erwar Priester und unterrichtete 1825–1946 als Lehrer am Collegium Maria Hilf in Schwyz, danach wurde er Schulkommissär in Va- duz. Franz Näscher: Beiträge zur Kirchengeschichte Liechten- steins. Bd. 2 Berufungen aus den Gemeinden. Vaduz 2009, S. 302. 72 Liechtensteiner Volksblatt vom 1. September 1932, S. 1. Kapitel_6_Vogt.indd   14522.10.12   12:40
	        

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