Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

142Vogt Paul: «Das Band weben, welches Fürst und Volk enger 
verbindet» 
eigener Anschauung gut, weilte er doch öfters in Vaduz, um die Renovation der Burg Vaduz zu begleiten. Sein Bruder Johann übertrug ihm öfters Aufgaben in der Gü- terverwaltung. Franz I. erscheint gelegentlich als eine Art graue Eminenz hinter seinem Bruder, die massgeblichen Einfluss auf dessen Entscheidungen nahm. So verhin- derte er 1916 den Plan von Matthias Erzberger zur Ab- tretung des Fürstentums an den Heiligen Stuhl zwecks Errichtung eines souveränen Kirchenstaats. In der Ver- fassungsfrage trat er als Vermittler auf: Als Anfang Au- gust 1921 die Verfassungsfrage – zwei Monate vor der Sanktion – blockiert war, erreichte Franz I. Anfang Au- gust eine Einigung mit den Vertretern der politischen Parteien und der kirchlichen Behörden.62 Nach dem Ableben von Johann II. wurde Franz I. zu- nächst in dessen Abwesenheit in der Landtagssitzung vom 13. März 192963 gehuldigt, wobei der Fürst schrift- lich erklären liess, das Land «in Gemässheit der Ver- fassung und der übrigen Gesetze» regieren zu wollen. Dies war die verfassungsmässig vorgeschriebene Form der Huldigung, quasi die Pflicht. Am 11. August 1929 folgte dann eine eindrückliche Huldigungsfeier. Vor dem Volksfest auf der Schlosswiese versammelten sich Fürst, Landtag und Regierung im Landtagssaal, wo Fürst Franz I. sein Versprechen, das Land in Gemässheit der Verfassung regieren zu wollen, erneuerte. Pfarrer Anton Frommelt führte in seiner Rede aus:64 «Heute huldigen wir dem Fürsten, dem Vertreter der fürstlich liechten- steinischen Rechte, wir huldigen dem Throne und dem rechtmässigen Inhaber dieser hochfürstlichen Rechte. Wir huldigen heute auch etwas, was das Wahrzeichen des Hauses, des Thrones Liechtenstein ist — der Liebe. Das ist es gewesen, was wir besonders an Ihrem Hoch- verehrten Hochseligen Fürsten, unserem Landesvater Johann II. so tief verehrten. Wir sind nicht ein Volk, das mit Rechten regiert wird, wir sind ein Volk, das mit Liebe geführt, das mit Liebe verpflichtet wird zu seinem fürstlichen Hause und das, Durchlaucht, das sind die Bande, die uns miteinander verknüpften und zwar so, dass die Stürme des letzten Jahrzehnts, die über Europa hinwegfegten, den Thron des Fürsten Johannes II. nicht zu erschüttern vermochten. Wir wussten, was wir an die- sem Throne haben, wir wussten, was darin für uns liegt. Wir wussten, dass diese Liebe unser Volk retten und erhalten werde.» Der Landtagspräsident schloss seine Rede mit einer symbolischen Geste, die ein gewandel- 
Wohltaten spendend. Dieses Bibelwort ist mir heute in den Sinn gekommen, als ich das Leben Eurer Durch- laucht von Ihrem 18. bis zu Ihrem 80. Lebensjahre über- dacht habe. Sie sind durch dieses Land, durch jeden Ort, an dem Sie geweilt haben, Gutes tuend, und nur Gutes tuend, gezogen. Jeder, der Ihnen nahe getreten ist, hat aus Ihrer Hand Friede und Freude empfangen.»59 Zwei weitere traditionelle Elemente prägten das nati- onale Bewusstsein: Zum einen war dies die alte Vorstel- lung, dass Liechtenstein zusammen mit dem Fürsten eine Familie bildete, dass man zusammengehörte und zusam- menhalten musste. Zum andern war es der Glaube, dass staatliche Autoritäten von Gott gewollt und eingesetzt waren. Dieser Autoritätsgedanke wurde von der katho- lischen Kirche, die sich auch in einer politischen Verant- wortung sah, gepflegt. Priester, allen voran Johann Bap- tist Büchel und Anton Frommelt, verteidigten und stärk- ten in öffentlichen Äusserungen wiederholt die staatliche Autorität. Johann Baptist Büchel sagte beispielsweise an der eben erwähnten Huldigung vom 15. September 1920: «Die Geistlichkeit wird, dessen versichere ich Eu- ere Durchlaucht auf meine Priesterehre, wie bis anhin ih- rer heiligen Pflicht bewusst, wie ein Mann treu zu Eurer Durchlaucht stehen und der den Liechtensteinern bisher fremden Strömung, die jetzt durch die Welt geht, mit al- ler Entschiedenheit und ohne Menschenfurcht entgegen- treten. Unsere Aufgabe als Priester ist es ja, eine Aufgabe, die wir von Gott und der Kirche empfangen haben, dass wir die rechtmässige, von Gott uns gegebene Autorität ehren und, wenn nötig, mit unseren geistigen Waffen, schützen.»60 Fürst Franz I. Fürst Franz I. pflegte wie sein Bruder Johann II. einen adeligen Lebensstil und verfügte über gute Beziehungen in der Welt des Adels, er unterschied sich aber in man- cher Hinsicht deutlich von seinem Bruder. Er hatte Rechtswissenschaft studiert und einige Jahre als öster- reichischer Diplomat (u.a. von 1894 bis 1899 als Bot- schafter in Petersburg) gearbeitet. Er hatte auch in der österreichischen Armee gedient, brachte es aber in elf Dienstjahren nur bis zum Rang eines Oberleutnants.61 Er engagierte sich insbesondere für die Geschichtswis- senschaft. Das Fürstentum Liechtenstein kannte er aus Kapitel_6_Vogt.indd   14222.10.12   12:40
	        

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