Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

110Haupt Herbert: Aufstieg und 
Konsolidierung 
Ziehen wir ein kurzes und sicherlich nicht endgültiges Resümee: Karl ist der erste und zugleich auch der um- strittenste in der langen Reihe der Liechtensteinischen Fürsten. Sein Verhalten polarisierte gestern und – er- staunlich genug – auch noch heute, bald 400 Jahre nach seinem Tode! Karl I. kommt im Rahmen der liechtenstei- nischen Familiengeschichte ohne Zweifel das Verdienst zu, durch seine Standeserhöhung und die, auf welche Weise auch immer, zustande gekommene Vermehrung des territorialen Besitzes die Basis für den Aufstieg des Hauses Liechtenstein gelegt zu haben. Karl I. verstand es gleich vielen anderen kaisertreuen katholischen Hoch- adeligen, die Gunst der Stunde auch zum eigenen Vor- teil zu nutzen. Zeitgenössische Quellen bezeichnen ihn als «freddissimo»,15 also als einen kühl und berechnend abwägenden Pragmatiker, der mehr gefürchtet als ge- liebt wurde. Die historische Wahrheit mag wohl wie so oft in der Mitte liegen. Das aus dem späteren Wissen um historische Entwicklungen ausgesprochene Urteil ist da- bei wenig förderlich. Karls noch minderjähriger Sohn Karl Eusebius (1611– 1684) übernahm 1627 ein zwar reiches, aber ungewisses Erbe. Wie nie zuvor bewährte sich in den folgenden Jah- ren der Zusammenhalt der Familie. Karls älterer Bruder, der kinderlos gebliebene Fürst Maximilian, hatte eine erfolgreiche militärische Laufbahn eingeschlagen, die er mit dem Titel eines kaiserlichen Feldmarschalls und Kommandanten der ungarischen Grenzfestung Raab (Györ) beendete.16 Maximilian übernahm gemäss den Bestimmungen der Erbeinigung die vormundschaftliche Regierung bis zur Volljährigkeit seines Neffen im Jahr 1632. Der zweite Onkel von Karl Eusebius, Fürst Gun- daker, war ein exzellenter Politiker und Organisator.17 Er sorgte als Obersthofmeister und Vertrauter dreier Kai- ser für die ungebrochene politische Präsenz der Familie Liechtenstein auf höchster Ebene. Sein internationales Ansehen und die ihm entgegengebrachte persönliche Wertschätzung trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass die Familie Liechtenstein so manche schwierige Situation letztlich doch unbeschadet überstand. Mit Fürst Karl Eusebius tritt eine in vieler Hinsicht bemerkenswerte Persönlichkeit ins Rampenlicht der Fa- miliengeschichte. Er stand dem Haus Liechtenstein mehr als ein halbes Jahrhundert vor und erlebte während dieser langen Regentschaft alle Höhen und Tiefen, die das an dramatischen Ereignissen reiche 17. Jahrhundert 
Höhepunkt der Macht erreicht,12 
für die der neu ange- fertigte prunkvolle Fürstenhut zum sichtbaren Zeichen wurde.13 Neben seinen vielfältigen politischen Aufgaben in Prag war der Fürst vor allem darum bemüht, seinen in kurzer Zeit enorm angewachsenen Besitzungen eine neue Ordnung zu geben. Er forcierte den Bergbau und förderte die durch die Kriegswirren der Zeit schwer heimgesuchte Landwirtschaft.14 
Mit dem Tod von Fürst Karl I. am 12. Februar 1627 in Prag endete das von Licht und Schatten gekennzeichnete Leben eines führenden Staatsmanns seiner Zeit. Fürst Gundaker von Liechtenstein. Kapitel_5_Haupt.indd   11022.10.12   12:37
	        

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