Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

107 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 20121 
 In Ermangelung einer rezenten Gesamtdarstellung der Geschich- te der fürstlichen Familie Liechtenstein ist, wenn auch mit Vor- behalt, noch immer heranzuziehen Jacob von Falke: Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein. 3 Bde. Wien, 1868–1882. Für das 17. Jahrhundert liegt in Evelin Oberhammer (Hrsg.): Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechten- stein in der frühen Neuzeit. Wien, München, 1990 der gelunge- ne, aber bedauerlicherweise nicht fortgeführte Versuch vor, die liechtensteinische Familiengeschichte nach Themenschwerpunk- ten aufzubereiten. Ähnliches gilt für die lesenswerte Publikation von Volker Press und Dietmar Willoweit (Hrsg.): Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grund- lagen und moderne Perspektiven. Vaduz, München, Wien 
21988. Von der von den Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein herausgegebenen Reihe der «Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein» liegen bisher drei Bände vor, die den Fokus vorwiegend auf die Kunst- und Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts legen. 2  Zu Fürst Karl I. Karel Stloukal-Zlinský: Karel z Lichtenštejna a jeho účast ve vládĕ Rudolfa II. (1560–1607). Prag, 1912) und zu- letzt Herbert Haupt: Fürst Karl I. von Liechtenstein. Hofstaat und Sammeltätigkeit. Obersthofmeister Kaiser Rudolfs II. und Vize- könig von Böhmen; Edition der Quellen aus dem liechtensteini- schen Hausarchiv. 2 Bde. (= Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein ; Bd. 1/1–2. Wien u. a., 1983. 3  Zu Fürst Karl Eusebius siehe Victor Fleischer: Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunstsammler (1611–1684). (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Neuere Geschichte Öster- reichs 1, Wien u. a., 1910), sowie rezent Herbert Haupt: Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein 1611–1684. Quellenband (= Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein; Bd. 2/2, Wien u. a., 1998) sowie derselbe: Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein. 1611–1684. Erbe und Bewahrer in schwerer Zeit. München u. a., 2007. 4  Der Autor bereitet eine Biographie von Fürst Johann Adam I. Andreas vor. Bis zum Erscheinen 2013 vgl. Falke (Anm. 1), Bd. 2, S. 325–355, Harald Wanger: Die regierenden Fürsten von Liech- tenstein. Triesen, 1995, S. 65–75 sowie Herbert Haupt: Fürst Jo- hann Adam I. Andreas. In: Rainer Vollkommer und Donat Büchel (Hrsg.): 1712. Das Werden eines Landes. Begleitbuch zur gleich- namigen Ausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum. Va- duz, 2012, S. 49–59 mit weiterführenden Literaturangaben. Die kunst- und kulturgeschichtlichen Quellen sind ediert in Herbert Haupt: «Ein liebhaber der gemähl und virtuosen …». Fürst Johann Adam I. Andreas von Liechtenstein (1657–1712). Quellenband mit beigelegter CD-ROM (= Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein III/2, Wien, Köln, Weimar, 2012). 5  Vgl. die auf die Thematik «Reichsstandschaft» Bezug nehmenden Beiträge in Rainer Vollkommer und Donat Büchel (Hrsg.): 1712. Das Werden eines Landes. Begleitbuch zur gleichnamigen Aus- stellung im Liechtensteinischen Landesmuseum. Vaduz, 2012. 6  Georg Schmid: Das Hausrecht der Fürsten von Liechtenstein. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechten- stein. Band 78. Vaduz, 1978, S. 6–181. 7  Der Friede von Zsitvatorok vom 11. November 1606 beendete den 13 Jahre dauernden so genannten «Langen Türkenkrieg»; vgl. Jan Paul Niederkorn: Die europäischen Mächte und der «Lange Türkenkrieg» Kaiser Rudolfs II. (1593–1606). Wien, 1993. Der Wiener Frieden vom 23. Juni 1606 beendete den 1605/1606 von Stephan Bocskay (1557–1606) angeführten anti-habsburgischen Aufstand in 
Oberungarn. 
Liechtenstein zu polarisieren, ein Geschick, das ihm Zeit seines Lebens treu bleiben sollte. Wie gross die Freude im katholischen Lager war, zeigt das Gratulationsschreiben von Papst Clemens VIII. (eigentlich: Ippolito Aldobran- dini, geboren 1536, Papst 1592–1605). Für die protestan- tischen Stände galt Karl seit dieser Zeit als Abtrünniger. Es bleiben tatsächlich Zweifel, inwieweit Karl von Liech- tenstein allein seiner Überzeugung gefolgt ist, zu auffäl- lig ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen seiner Konversion und seiner Karriere am Kaiserhof. Unbestritten bleibt, dass die Rückkehr Karls zum Ka- tholizismus und seine wenig später im Jahr 1600 erfolgte Ernennung zum Obersthofmeister Kaiser Rudolfs II. (1652–1612) in Prag eine neue Ära in der Geschichte der Familie Liechtenstein einleitete. Als Vorsitzender des Ge- heimen Rats hatte Karl von Liechtenstein wesentlichen Einfluss auf die kaiserliche Politik, ohne deshalb seine landständischen Interessen zu vernachlässigen. Rückhalt fand Karl bei seinen Brüdern Maximilian (1578–1643) und Gundaker (1580–1658). Beide teilten uneinge- schränkt das Bestreben Karls, die einmal erreichte Posi- tion im Interesse der Gesamtfamilie zu bewahren. Dieser Grundkonsens legte die Basis für die nach langen Ver- handlungen 1598 zustande gekommene und 1606 vom Kaiser genehmigte Erbeinigung.6 Ihre Bestimmungen sind in wesentlichen Punkten wie dem Erstgeburten- recht («Primogenitur») und des unveräusserlichen Ge- samtfamilienbesitzes («Majorat») bis heute in Kraft. Der brüderliche Zusammenhalt hob sich für alle sicht- bar vom zeitgleichen Bruderzwist im Hause Habsburg ab und trug wesentlich dazu bei, die neu erworbene Stellung der Familie Liechtenstein innerhalb der Adels- hierarchie zu festigen. Am 17. Mai 1606 gewährte Kaiser Rudolf II. Karl von Liechtenstein den Titel «Hoch- und Wohlgeboren», ein Jahr später folgte die Verleihung des so genannten «Großen Palatinats». Mit ihm waren unter anderen die Rechte verbunden, Uneheliche zu legitimie- ren, Schlösser zu bauen und Münzen zu prägen (Münz- regal). Karl I. war im Gefolge von Erzherzog Matthias (1557–1619) im Jahre 1606 führend an den Friedensver- trägen mit den ungarischen Reichsständen und dem Os- manischen Reich beteiligt gewesen.7 Beide Verträge wa- ren gegen den Willen des Kaisers aus realpolitischer und militärischer Notwendigkeit zustande gekommen. Der Fürst fiel in der Folge bei Kaiser Rudolf II. in Ungnade. Um dem drohenden Gerichtsverfahren zu entkommen, Kapitel_5_Haupt.indd   10722.10.12   12:37
	        

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