Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

94Frick Nadja/Good Jeannette: Vertrieben aus der 
Heimat 
Entstehung des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes Wie bereits erwähnt, gab es zu der Genfer Flüchtlings- konvention von 1951, dem ergänzenden Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund- freiheiten von 1950 der EMRK in Liechtenstein keine in- nerstaatliche Ausführungsgesetzgebung. Zur praktischen Rechtsausübung lehnte man sich unter anderem an das in Liechtenstein, aufgrund einer gegenseitigen Verein- barung, anwendbare schweizerische Bundesgesetz vom 1. Januar 1934 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG).93 Dieses Gesetz konnte jedoch den Ansprüchen der Flüchtlingspolitik nicht gerecht werden. Dadurch bestand immer wieder eine «...grosse Rechts- unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen Flücht- linge und Asylsuchende in ... [Liechtenstein] Aufent- haltsmöglichkeiten und sonstige Rechte haben.»94 Aus diesem Grund reichten mehrere Landtagsabge- ordnete am 13. Juni 1994 ein Postulat an den Landtag zwecks Erlass eines Asyl- und Flüchtlingsgesetzes ein.95 In seiner Sitzung vom 15. September 1994 beschloss der Landtag, das Postulat zur Erarbeitung eines Asyl- und Flüchtlingsgesetzes an die Regierung weiterzuleiten. Da- raufhin bestellte die Regierung am 27. September 1994 eine Arbeitsgruppe, welche sich diesbezüglich mit ver- schiedenen auf diesem Gebiet national und internatio- nal wichtigen Gruppierungen und Personen in Verbin- dung setzte.96 Die Arbeitsgruppe beschloss, sich nach der schweizerischen Gesetzgebung zu richten. Sie trug den europäischen Koordinationsbemühungen fast vollstän- dig Rechnung. Bevor der Entwurf für ein «Gesetz über die Aufnahme von Asylsuchenden und Schutzbedürfti- gen (Flüchtlingsgesetz)» mit Bericht und Antrag der Re- gierung vom 26. November 1996 dem Landtag vorgelegt wurde, ging dieser in der Vernehmlassung an diverse öffentlichrechtliche Körperschaften, Dachverbände, Ver- eine und internationale Organisationen. Diese äusserten sich durchwegs positiv über die Schaffung eines Flücht- lingsgesetzes in Liechtenstein sowie über den Inhalt des Gesetzesentwurfes. Auch der Verein «Tibet-Unterstüt- zung Liechtenstein» gab dazu am 8. Mai 1996 eine Stel- lungnahme ab. In seiner Sitzung vom 15. Mai 1997 nahm der Landtag die erste Lesung des Berichts und Antrags der Regierung über die Schaffung eines Flüchtlingsgesetzes vor.97 Es er- 
nicht massgebend, denn sie berief sich auf die Geltend- machung subjektiver Nachfluchtgründe,91 wonach diese «... ausnahmslos zur Anerkennung der Flüchtlingseigen- schaft [führen] ...».92 Gemäss Artikel 43 des liechtenstei- nischen Flüchtlingsgesetzes ist anerkannten Flüchtlingen aber kein Asyl zu gewähren, wenn nur subjektive Nach- fluchtgründe geltend gemacht werden können. Nach Bekanntgabe dieses Teilentscheides der VBI, nämlich die Anerkennung des Flüchtlingsstatus und die Erteilung der Jahresaufenthaltsbewilligung, zogen die Beschwerdeführer ihren Antrag auf Asylgewährung zurück. Dadurch sah sich die VBI nicht mehr verpflich- tet, zu überprüfen, ob die Beschwerdeführer die Flücht- lingseigenschaft schon beim Eintreffen in Liechtenstein erfüllten hatten. Im Weiteren sprach die VBI den Beschwerdeführern dieselben Rechte zu wie einem Flüchtling, dem Asyl ge- währt wurde. Dies betraf insbesondere die Erwerbsbe- willigung ausserhalb der Begrenzungsvorschriften für ausländische Arbeitskräfte, die Gleichbehandlung hin- sichtlich der Sozialversicherungen und den Anspruch auf Familiennachzug. Aufgrund der erteilten Jahresauf- enthaltsbewilligung stand eine Wegweisung nicht mehr zur Diskussion. Ausserdem hätte diese aufgrund der vorherrschenden Situation in Tibet sowieso nicht vollzo- gen werden können. Damit gewannen die Tibeter den langjährigen Kampf von Oktober 1993 bis Juli beziehungsweise August 1998 in Bezug auf ihren Status und den Verbleib im Fürsten- tum 
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