Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

93 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 110, 201180 
 Schreiben der tibetischen Flüchtlinge an die Regierung vom 17. Oktober 1996. 81  Akteneinsicht Regierung vom 9. Oktober 2001 durch Nadja Frick. 82  Landtagsprotokoll vom 20. November 1997, S. 2191. 83  Ebenda. 84  Akteneinsicht Regierung vom 9. Oktober 2001 durch Jeannette Good. 85  Schreiben des Vereins «Tibet-Unterstützung Liechtenstein» vom 22. Oktober 1997, mit Petition. 86  Akteneinsicht Regierung vom 10. Oktober 2001 durch Nadja Frick. 87  Landtagsprotokoll vom 20. November 1997, S. 2203 ff. 88  Akteneinsicht Regierung vom 10. Oktober 2001 durch Nadja Frick. 89  Hier und im Folgenden nach VBI-Entscheid Nr. 1998/3 vom 21. September 1998. 90  Gemäss Flüchtlingsgesetz Artikel 5 Absatz 1, lit. a dieses 
Gesetzes. 
chen, aber angeblich gar noch nicht entschieden worden war.87 In dieser Landtagssitzung vertrat die Regierung den Standpunkt, dass über eine Wegweisung separat zu entscheiden sei. Vorläufig sei seitens der Regierung zum Punkt Flüchtlingsstatus entschieden worden. Die Mög- lichkeit einer allfälligen Rückschaffung müsse aber auf jeden Fall zuerst seriös überprüft werden. Eine Ableh- nung des Flüchtlingsstatus ziehe nicht automatisch eine Wegweisung mit sich. – Auch die restlichen vier Asyl- anträge lehnte die Regierung in ihren Sitzungen vom 9. Dezember 1997 und vom 5. Mai 1998 ab.88 Ursula Wachter reichte gegen jeden Regierungs- entscheid fristgerecht eine Beschwerde ein. Insgesamt reichte sie zwölf Beschwerden ein. Die Regierung ging nicht darauf ein und leitete alle diese Rekurse jeweils an die VBI weiter. Allen Beschwerden hat die VBI schliesslich in ihren Sitzungen vom 8. und 9. Juli 1998 (je eine Beschwerde) sowie vom 19. August 1998 (übrige zehn Beschwerden) stattgegeben. Damit anerkannte sie den Tibetern einen Flüchtlingsstatus zu und erteilte ihnen die Jahresauf- enthaltsbewilligungen. Die VBI stützte sich in ihren Entscheidungen vor allem auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Flüchtlingsgesetz, welches gemäss der Übergangsbestimmung in Artikel 94, Absetz 2 auch für laufende Verfahren Gültigkeit hatte.89 Sie anerkannte die Beschwerdeführer als Flüchtlinge,90 da sie den Schutz ihres Heimatlandes nicht beanspruchen wollten, weil sie wegen ihrer politischen Überzeugung begründete Furcht vor Verfolgung hatten. Ob sich diese politische Überzeugung erst nach der Flucht ergab, war für die VBI 
Vereins «Tibet-Unterstützung Liechtenstein», blieb nicht aus. Die Realschule Balzers schrieb in ihrer Stellung- nahme, publiziert im Liechtensteiner Volksblatt vom 4. Oktober 1997 (Seite 5): «Sie gehören zu uns», und plä- dierten lautstark für einen Verbleib ihrer Mitschüler in Liechtenstein. Die Lehrerschaft der Realschule Balzers richtete sich mit einem Schreiben direkt an die Regie- rung. In diesen Tagen erschienen in den beiden Landes- zeitungen zahlreiche Leserbriefe, deren Autoren sich alle für die inzwischen liebgewonnen Tibeter einsetzten. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1997 an die Tibeter entschuldigte sich die Regierung für ihr Missgeschick und erhellte darin ihren Standpunkt zur Wegweisung: Wenn der Flüchtlingsstatus nicht anerkannt werde, er- gehe an die Fremdenpolizei der Auftrag, abzuklären, un- ter welchen Konditionen eine Rückkehr der betroffenen Personen möglich sei. Danach entscheide die Regierung über eine allfällige Wegschaffung. Bis dahin würden aber keine entsprechenden Massnahmen zur Rückschaffung eingeleitet.84 
Dies war eine abgeschwächte Form des ur- sprünglichen, oben angeführten Auftrages an die Frem- denpolizei. Zwischenzeitlich sammelte der Verein «Tibet-Unter- stützung Liechtenstein» Unterschriften für eine Petition gegen die Ausschaffung der tibetischen Flüchtlinge aus Liechtenstein und bat darin den Landtag, die Regierung aufzufordern, auf ihren Entscheid zurückzukommen. Stolz überreichte der Verein dem Landtagspräsidenten am 22. Oktober 1997 insgesamt 1715 Unterschriften. Mit der Unterzeichnung dieser Petition zeigten sich viele Bewohnerinnen und Bewohner Liechtensteins gegen- über den Tibetern solidarisch und sprachen sich unmiss- verständlich gegen die am 30. September 1997 erfolgten Regierungsentscheide aus.85 Am 28. Oktober 1997 lehnte die Regierung zwei und am 18. November 1997 drei weitere Asylanträge ab.86 Hier verzichtete die Regierung aber darauf, eine Ausweisung durch die Fremdenpolizei vorbereiten zu lassen. In der Landtagssitzung vom 20. November 1997 schei- terte die vom Verein «Tibet-Unterstützung Liechten- stein» eingereichte Petition mit 10 zu 15 Stimmen, denn es war mittlerweile nicht mehr klar, auf welchen Ent- scheid die Regierung zurückkommen sollte: Eigentlich auf die Wegweisung, welche aber im Zusammenhang mit den ersten drei Asylentscheidungen wohl angespro- Kapitel_3_Frick_Good.indd   9326.07.11   13:45
	        

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