Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

92Frick Nadja/Good Jeannette: Vertrieben aus der 
Heimat 
Übersetzungskosten übernehmen und die Frist für die Stellungnahme bis Ende Januar 1997 verlängern. Beidem stimmte die Regierung zu. Die einzelnen Stellungnah- men seitens der Tibeter zum Bericht des Bundesamts für Flüchtlingswesen gingen bis Ende Januar 1997 bei der Regierung ein. Da die Flüchtlinge höchstwahrscheinlich über die österreichische Grenze nach Liechtenstein gelangten, klärte die liechtensteinische Fremdenpolizei im Juni 1997 beim Österreichischen Bundesministerium für In- neres, Wien, ab, ob die tibetischen Flüchtlinge bereits in Österreich Asyl beantragt hatten und ob sie allenfalls fremdenpolizeilich vermerkt waren. Die Antwort des Bundesministeriums ergab, dass sie nicht im österreichi- schen Asylregister aufschienen. Eine Abklärung, ob die Tibeter fremdenpolizeilich vermerkt waren, wäre viel zu umfangreich gewesen, da in Österreich die Erfassung de- zentral erfolgte. Daraufhin traf die Regierung am 30. September 1997 folgende Entscheidungen: Einen Asylantrag nahmen sie, wie schon im Bericht des Bundesamts für Flüchtlingsfra- gen vorgeschlagen, an. Diese Personen anerkannte die Regierung als Flüchtlinge und erteilte ihnen die Jahres- aufenthaltsbewilligung. Drei Anträge lehnte die Regie- rung ab. Der Entscheid lautete jeweils wie folgt (Kurzfas- sung): 1. Das politische Asyl wird abgewiesen. 2. Die Jahresaufenthaltsbewilligung wird nicht erteilt. 3. Über die Wegweisung wird gesondert entschieden.81 Im Zusammenhang mit diesen drei abgelehnten Asylan- trägen erging aber gleichzeitig der Auftrag an die Frem- denpolizei, «die notwendigen Massnahmen für eine Wegweisung vorzubereiten und der Regierung einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten.»82 
Zudem wur- den «... die abgewiesenen Asylbewerber aufgefordert, gültige Ausweispapiere der Volksrepublik China vorzu- legen, und zwar bis zum 1. November 1997...».83 Auf der Titelseite des Liechtensteiner Volksblatts stand am 1. Oktober 1997 in grossen Lettern: «Tibeter müssen gehen. Regierung hat erste Entscheidungen getroffen – Jede Person wird einzeln beurteilt». Und so erfuhren die Tibeter von ihrem Schicksal über die Zei- tung und das Radio. Dies war eine verheerende Infor- mationspolitik seitens der Regierung und die entspre- chende Antwort der Öffentlichkeit, allen voran die des 
Die Regierung übermittelte die Stellungnahme des schweizerischen Bundesamts für Flüchtlingswesen an Ursula Wachter, mit der Aufforderung, sich innert einer Frist von 60 Tagen dazu zu äussern. Mit Schreiben vom 17. Oktober 1996 nahmen die Tibeter kollektiv Stellung zum Bericht des Bundesamts für Flüchtlingswesen. Sie waren tief bewegt über die darin enthaltene Ansicht, dass ihre Aussagen für unglaubwürdig oder sogar für imaginär gehalten wurden. In ihrem Brief hielten die Tibeter fest, dass sie ihr Land nicht aus wirtschaftli- chen, sondern aus politischen Gründen verlassen hät- ten. Im Übrigen seien die Verhältnisse in Tibet hinläng- lich bekannt. Sie gaben zum Ausdruck, dass sie auf eine gerechte Entscheidung in dieser Angelegenheit hofften.80 Die Regierung forderte nun aber aufgrund der Ein- zelverhöre und den diesbezüglichen Bericht des Bun- desamts für Flüchtlingswesen auch einzelne Stellung- nahmen seitens der Tibeter. Die kollektive Äusserung könne nicht akzeptiert werden. Falls die Regierung diese nicht erhalten würde, käme dem Bericht des Bundesamts für Flüchtlingswesen eine ausserordentliche Bedeutung zu. Die Tibeter begründeten ihre gemeinsame Stellung- nahme damit, dass nach wie vor Verständigungsschwie- rigkeiten herrschten und auch die finanziellen Mittel für eine Übersetzung nicht hätten aufgebracht werden können. In der Folge stellte Ursula Wachter bei der Re- gierung den Antrag, das Land Liechtenstein wolle die Deutschunterricht im Alten Pfarrhaus in Balzers. Kapitel_3_Frick_Good.indd   9226.07.11   13:45
	        

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