Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

52Županiã Jan: Der Erbe des Barons von Hirsch: Maurice Arnold Freiherr von 
Deforest-Bischoffsheim 
1883) war seit 1862 belgischer Bankier und Senator. Die Familie ihrer Mutter Henriette Goldschmidt (1812–1892) hatte Wurzeln in Frankfurt am Main, wo sie ein grosses Bankhaus besass. Die Familie Goldschmidt wurde auch Erbin der Frankfurter Linie der Familie Rothschild, und seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts trugen ihre Mit- glieder den Namen Goldschmidt-Rothschild.21 Dank ihrer Eltern erwarb Clara eine sehr liberale und gute Er- ziehung. Sie kannte sich in der Wirtschaftswissenschaft gut aus, beherrschte fliessend Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch. Nach dem Abschluss ihres Stu- diums arbeitete sie eine kurze Zeit als Assistentin ihres Vaters. So gewann sie eine gute Übersicht nicht nur über seine Geschäfte, sondern auch über seine juristischen und philanthropischen Tätigkeiten. Aus der Ehe zwischen Moritz von Hirsch und Clara Bischoffsheim gingen zwei Kinder hervor. Die Tochter erreichte nicht das Erwachsenenalter, und der Sohn Lu- cien (1856–1887) starb im Alter von 31 Jahren bei einem Unfall. Baron von Hirsch selbst starb im Jahr 1896 in der Nähe der oberungarischen Stadt Neuhäusl/Érsekújvár (heute: Nové Zámky in der Slowakei). Nach dem Tod ihres Mannes führte die Witwe Clara die Wohltätig- keitsaktivitäten fort. Schrittweise verschenkte sie zehn Millionen US-Dollar zugunsten verschiedenartiger phi- lanthropischer Stiftungen. Ihre humanitären Vorhaben koordinierte sie mit weiteren jüdischen Wohltätern, ins- besondere mit den Mitgliedern der Familie Rothschild.22 Anlässlich des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1898 gründete sie die «Kaiser Franz Joseph I. Regierungs-Jubiläums-Stiftung» und zeich- nete zu Gunsten dieser Stiftung 400 000 US-Dollar. Vom Stiftungsertrag wurden arme Kinder unterstützt. Zum Verwalter der Stiftung wurde Benjamin Gomperz (1861–1935) ernannt. Gomperz war ein ausgezeichneter Arzt und Chirurg, Professor an der Wiener Universität. Er stammte aus einer bedeutenden jüdischen Unter- nehmerfamilie.23 Interessant ist, dass Moritz von Hirsch einen we- sentlichen Teil seines Kapitals in Österreich investierte, wo er Inhaber etlicher Immobilien wurde. Am 23. Sep- tember 1881 kaufte er die miteinander verbundenen Herrschaften Rossitz (Rosice) und Eichhorn (Veveří) in Mähren. Dieser Grundbesitz in Mähren umfasste eine Gesamtfläche von 12 699 Hektar, von denen mehr als 10 000 Hektar aus Wäldern, Wiesen und Weiden bestan- 
den Familien Goldschmidt und Bischoffsheim im Jahr 1872 die 
Banque de Paris et des Pays Bas gründete. Das bekannteste Mitglied der ganzen Familie war ohne Zweifel Josephs jüngerer Sohn Moritz (1831–1896), ein berühmter Eisenbahnunternehmer und Financier der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Moritz von Hirsch war zudem einer der grössten Mäzene aller Zeiten. Sein besonders durch Investitionen in der Türkei gewon- nenes Vermögen schenkte er zum grossen Teil diversen humanitären Stiftungen. Er finanzierte unter anderem die Entwicklung des Schulwesens in Galizien für jü- dische und christliche Kinder beiderlei Geschlechtes, womit er zur Abschaffung der erschütternden Ungebil- detheit der dortigen jüdischen Mädchen wesentlich bei- trug, die nicht in kirchliche Schulen aufgenommen wor- den waren.18 
Moritz von Hirsch leistete auch Unterstüt- zung für etliche zionistische Stiftungen, wodurch er sich einen unvergänglichen Hass der Autoren des jüdischen Almanachs, der sogenannten Semigotha zuzog. Für die russischen jüdischen Flüchtlinge, die sich in den USA niederliessen, errichtete er die Hirsch-Stiftung 
(Hirsch Fund) in der Höhe von 2,5 Millionen Dollar. Im Jahr 1891 gründete Moritz von Hirsch dann die 
Jewish Colonization Association, deren Ziele die Unterstützung der jüdischen Flüchtlinge aus Russland und Rumänien und ihre An- siedlung in der neuen Heimat in Südamerika bzw. an einem anderen Ort in der Welt waren. Zugunsten die- ser Organisationen zeichnete er den grosszügigen Be- trag von zwei Millionen Pfund. Nach seinem Tod im Jahr 1896 ging die Verwaltung der Jewish Colonization Association in neue Hände über: Neuer Verwalter wurde der jüdische Philanthrop Baron Edmond James de Roth- schild (1845–1934).19 Die engen Beziehungen zwischen Moritz von Hirsch und der Familie Rothschild wurden dank der Verwandt- schaftsbindungen zweifellos erleichtert – dank der Ver- mählung seiner Schwester Amalia mit Henri Bamberger und dank seiner im Jahr 1855 geschlossenen Ehe mit Clara Bischoffsheim (1833–1899). Weder die Familie Bamberger noch die Familie Bischoffsheim zählte zu den direkten Verwandten der Familie Rothschild, doch sie waren mit deren Verwandten verschwägert. In der Folge beteiligten sie sich an den unternehmerischen Ak- tivitäten dieses ganzen Familienklans.20 
Besonders Clara stammte aus einer sehr angesehenen und wohlhabenden Familie. Ihr Vater Jonathan Raphael Bischoffsheim (1808– Kapitel_2_Zupanic.indd   5226.07.11   13:45
	        

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