Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

51 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 110, 
2011Hirsch 
heiratete im Jahr 1828 Katharine Wertheimber. Ihre älteste Tochter Amalia (*1834) heiratete Henri Bam- berger (1826–1910), einen Financier, der zusammen mit 
Familie von Hirsch auf Gereuth Die Familie Hirsch stammt aus der jüdischen Gemeinde der Stadt Würzburg. Am Anfang ihres Aufstiegs stand Moritzens Grossvater Jacob Hirsch (1764–1841), der in Königshofen bei Würzburg geboren wurde und ursprünglich Rabbiner werden sollte. Später entschloss er sich für eine andere Lebensbahn: Er fing an, sich dem Geschäft zu widmen, und seit dem Beginn der Kriege mit dem revolutionären Frankreich war er als Militärliefe- rant unternehmerisch tätig. Im Jahr 1800 gründete er ein Bankhaus in Ansbach, und sein Vermögen fing schnell an zu wachsen. Vom Fürsten zu Loewenstein-Wertheim wurde er zum Hoffaktor, und vom Grossherzog von Würzburg sogar zum Hofbankier ernannt. Dieser gestat- tete ihm überdies, die Adelsdomänen zu kaufen. Nach dem Erwerb der Rittergüter Gereuth, Trunstadt und Schenkenau wurde so Jacob Hirsch der erste deutsche Jude, der über Obrigkeitsrechte verfügte. Während des Befreiungskriegs der Jahre 1813 und 1814 gegen Na- poleon organisierte Jacob Hirsch ein ganzes Regiment, das gut ausgerüstet und bezahlt wurde. Auf dem Höhe- punkt seines gesellschaftlichen Ansehens verlieh ihm der bayerische König Maximilian I. Joseph am 13. August 1818 den Adelstitel mit dem Prädikat «von Hirsch auf Gereuth».16 
Drei Jahre später wurde Jacob Hirsch Hof- bankier des bayerischen Königs. Das gewonnene Geld investierte er wieder in den Kauf von Gütern. So kaufte er die Domänen Orberzell, Rodelmeyer, Rumling, Iller- nichen, Füssen und weitere in Bayern.17 Der zweitgeborene Sohn von Jacob Hirsch war Joseph (1805–1885), der vom väterlichen Besitz unter anderem das Rittergut Planegg und das ehemalige Kronlehen Har- laching mit Hellabrunn und Siebenbrunn erbte. Nach dem Abschluss seines Studiums begann er, in der Fami- lienbank zu arbeiten, die er nach dem Tod seines Vaters übernahm. Sehr früh erkannte er die Perspektiven der Eisenbahn und wurde zum Chefkonstrukteur der baye- rischen Ostbahn. Daneben befasste er sich auch mit der Land- und Forstwirtschaft. Als erstes Mitglied der Fami- lie wurde er als Wohltäter bekannt, der Hinterbliebene der Cholera-Epidemie von 1854 sowie mehrere Kran- kenhäuser grosszügig unterstützte. Er war auch Verwal- ter etlicher karitativer Institutionen. Am 2. August 1868 wurden er und seine Nachkommen vom bayerischen König Ludwig II. in den Freiherrenstand erhoben. Joseph 
8  Der bedeutende Bankier und Grossgrundbesitzer Jonas Königs- warter (1807–1871), der als Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse in den Ritterstand im Jahr 1860 und zehn Jahre da- nach aufgrund des Erwerbs der II. Klasse desselben Ordens in den Freiherrenstand erhoben wurde, gab grosse Finanzmittel für humanitäre Zwecke, insbesondere für die Unterstützung seiner armen Glaubensgenossen aus, und zählte seinerzeit zu den füh- renden Angehörigen der jüdischen Elite. Kurz vor seinem Tod erliess er die Verordnung, nach der ein Mitglied seiner Familie, das vom jüdischen Glauben abfallen würde, eine Strafe in der Höhe von 1 Million fl. zugunsten der jüdischen wohltätigen Or- ganisationen bezahlen müsste. Vgl. Jäger-Sunstenau, Hanns: Die geadelten Judenfamilien im vormärzlichen Wien. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Wien, 1950, S. 142; Županič, Jan: Nová šlechta Rakouského císařství (Der neue Adel des Kaisertums Österreich). Praha, 2006, S. 300–301. 9  Hamannová, Brigitte: Hitlerova Vídeň. Diktátorova učednická léta (Hitlers Wien. Diktators Lehrjahre). Praha, 1999, S. 374–375. 10  Krauss, Samuel: Joachim Edler von Popper. Ein Zeit- und Lebens- bild aus der Geschichte der Juden in Böhmen mit 12 Abbildun- gen auf 10 Tafeln. Wien, 1926, S. 31. Die Nachfolger vieler dieser jüdischen Mieter wurden in der Zeit vom  18. bis ins 20. Jahrhun- dert geadelt. 11  Vgl. Krejčik, Tomáš: Moravští nobilitovaní židé v 19. století (Mährische nobilitierte Juden im 19. Jahrhundert). In: XXVI. mi- kulovské sympozium 2000 – Moravští židé v Rakousko-uherské monarchii (1780–1918) – Mährische Juden in der Österreichisch- ungarischen Monarchie (1780–1918). Brno, 2003, S. 164. Mit der Familie Arnstein (oder besser mit Pereira-Arnstein) war der öster- reichische Innenminister Karl Giskra (1820–1879) verschwägert, und zu den weiteren Verwandten zählten die jüdischen (oder ursprünglich jüdischen) Familien Boschan, Gomperz oder Wert- heimer. Vgl. Jäger-Sunstenau, Hanns: Die geadelten Judenfamili- en, S. 106–107. 12  Županič, Jan: Nová šlechta (Der neue Adel), S. 281–283. 13  Wilson, Derek: Rothschildové. Příběh bohatství a moci (Die Roth- schilds. Eine Geschichte von Ruhm und Macht). Praha, 1993, S. 154–163. 14  Zur Familie vgl. Wilson, Derek: Rothschildové, zu ihren Nobi- litierungen siehe Županič, Jan: Nová šlechta (Der neue Adel), S. 284–287. 15  Jäger-Sunstenau, Hanns: Die geadelten Judenfamilien, S. 166–167. 16  Weimarer historisch-genealogisches Taschenbuch des gesamten Adels jehuidäischen Ursprungs (nachstehend nur: Semigotha). Weimar, 1912, S. 146–147. Ebenso Hirsch auf Gereuth, [online]. c 2009, [zit. 2. Februar 2010]. Zum Herunterladen unter: http:// www.novanobilitas.eu/rod/hirsch-auf-gereuth, hier auch das Wappen. 17  Bosl, Erika: Die Familie von Hirsch-Gereuth im 18. und 19. Jahr- hundert, Bankiers. In: Treml, Manfred; Weigand. Wolf (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe. Veröf- fentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18. Mün- chen, 1988, S. 63–70. Auch für folgende. Kapitel_2_Zupanic.indd   5126.07.11   13:45
	        

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