Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

42Vogt Wolfgang: Der Aufbau der Krankenversicherung in 
Liechtenstein 
Statutenänderung für die Krankenkasse der Rosenthal’schen Fabrik in Vaduz, 1870 «Unterstützungs-Cassa für erkrankte od. verunglückte Arbeiter der Mechanischen Weberei Vaduz. § 1 Alle in der Weberei angestellten oder angestellt werdenden Arbeiter u. Aufseher haben ohne Ausnahme dieser Unterstüt- zungskassa beizutreten. § 2 Jedes Mitglied hat aus seinem 4 wöchentlichen Verdienst von jedem Gulden ein Kreuzer in die Kassa zu vergüten, welches Betreffnis ihm an jedem Zahltage in Abzug gebracht wird. § 3 Um ausserordentlichen Erfordernissen zu begegnen schiesst die Webereidirektion die Summe von fl 200 in die Unterstüt- zungskassa ein. § 4 Auf Unterstützung aus der Kassa hat nur derjenige Person Anspruch, welche bei der Aufnahme vollkommen gesund u. mindestens schon 24 Tage in der Weberei gearbeitet hat. Erkrankt ein Arbeiter, so soll ihm, nachdem sich seine Krank- heit durch glaubwürdiges ärztliches Zeugnis erwiesen, vom Tage der Anzeige an eine Unterstützung von der Hälfte des täglichen Dienstlohnes zugetheilt werden, u. übernimmt die Fabrik ausserdem die ärztliche Verpflegung des Erkrankten. Dauert die Krankheit weniger als sechs Tage, so werden die zwei ersten Tage nicht vergütet. (Der Rücklohn wird nach dem Durchschnitt des letzten Vierteljahres berechnet.) § 5 Durch Unsittlichkeit, Raufhändel und Trunksucht zugezogene zeitweilige Arbeitsunfähigkeit wird nicht unterstützt; hingegen haben Arbeiter welche in der Weberei verunglücken sollten, auf die Hälfte des täglichen Verdienstes, wie oben in § 4 An- spruch. § 6 Die Unterstützung eines erkrankten od. verunglückten Arbei- ters soll bis 
3 Monate [= durchgestrichen] 6 Wochen, wenn der Krankheitsumstand von Zeit zu Zeit erhoben vorliegt, stattfin- den. Eine fernere Unterstützung ist dem Ermessen der Webe- reidirektion anheim gestellt. § 7 Wer des Missbrauches in Bezug auf Unterstützung überwiesen wird, soll zur Rückerstattung des erhaltenen Betrags verfallen sein u. darf bei späterer wirklicher Erkrankung 3 Monate lang, vom Wiedereintritt keinerlei Hülfe aus der Kasse beanspru- chen. 
lung der Krankenversicherung in der Schweiz greift die Feststellung zu kurz, die liechtensteinische Sozialversi- cherungsgesetzgebung hätte sich weitgehend parallel zu jener der Schweiz entwickelt.270 Wie das Beispiel der Krankenversicherung aufzeigt, übersieht diese Betrach- tungsweise einerseits die unterschiedlichen bestehenden Grundlagen in der Krankenversicherung, andererseits auch weiterhin abweichende Entwicklungen, wie das bereits 1971 in Liechtenstein erfolgreich durchgeführte Versicherungsobligatorium für die gesamte Wohnbevöl- kerung. Mit dem erfolgreichen Wechsel an die Seite der Schweiz bedurfte es noch einer längeren Zeitdauer und viel Aufwand, um vom geltenden Versicherungsobliga- torium für wenige Fabrikarbeiter bis zu einem Obliga- torium für die gesamte Wohnbevölkerung zu gelangen. Eine Beschleunigung der Entwicklung fand erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes nach Ende des Zweiten Weltkriegs statt. Und so sollte sich in Bezug auf die Krankenversicherung in Liechtenstein eine Bemer- kung bewahrheiten, die Hermann Renfer bereits 1922 in seinem Begleitschreiben an die Regierung angebracht hatte, auch wenn sie vom Schreiber wohl kaum in einem derart grossen zeitlichen Rahmen angedacht 
war: «Gut Ding will Weile haben und die Durchführung der Sozialversicherung kostet Geld, viel Geld, das sind die beiden Hauptgesichtspunkte.»271Anhang Kapitel_1_Vogt.indd   4226.07.11   13:44
	        

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