Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

16Vogt Wolfgang: Der Aufbau der Krankenversicherung in 
Liechtenstein 
und will sie erst bei Errichtung einer Krankenkassa dann an die- selbe abführen. Ich glaube, dass sie jetzt schon genügend Leute beschäftigt um eine solche zu gründen.»61 Von Seite der Regierung ist in ihrem Antwortschrei- ben kein Echo auf diese Äusserung des Gewerbeinspek- tors zu lesen, auf eine Anfrage bezüglich der Versiche- rung in kleineren Gewerbebetrieben kam die lapidare Antwort, die Regierung habe diesbezüglich «vorerst keine besonderen Wünsche».62 Als die Betriebskranken- kasse der Spinnerei in Vaduz 1891 schliesslich gegrün- det wurde, erhielt sie Statuten, die weitgehend jenen der Weberei in Triesen entsprachen. Sie war jedoch erstmals mit nach Höhe der Löhne differenzierteren Beitrags- und Leistungssätzen ausgestattet. Ebenso enthielt sie, wie dies bereits einige Jahre zuvor in der Rosenthal’schen Fabrik der Fall war, eine Beitragspflicht für die Unternehmens- leitung. Die Beiträge bestanden damit aus den monatlich vom Lohn abgezogenen Geldern der Arbeiter und «aus Beitragsleistung der Fabrikbesitzer im Betrage der Hälfte des Beitrages der Arbeiter, es wird dieselbe ebenfalls pro Zahltag geleistet».63 Die Regierung wandte sich in Fragen bezüglich der richtigen Regelungen für die Krankenkassen im Normal- fall an die Gewerbeinspektoren. So liess sie beispiels- weise bei ihr eingereichte Statuten direkt vom Gewer- beinspektor prüfen, was aufgrund seiner Funktion zwar nicht weiter verwunderlich ist, aber dennoch aufzeigt, dass in Liechtenstein selbst die nötigen personellen Res- sourcen dafür fehlten. Wenn dabei gesetzliche Rege- lungen fehlten, beriefen sich die Inspektoren des Öfteren auf österreichisches Recht. Gewerbeinspektor Rziha stellte fest, dass die ihm vor- gelegten Statuten «vollständig den in Österreich beste- henden diesbezüglichen Gesetzesvorschriften und Ge- pflogenheiten» entsprächen. Dies zeigt, dass sich auch die im Land tätigen Schweizer Unternehmer in der Ausge- staltung der Krankenversicherung für die Arbeiter in den Fabriken an die österreichischen Regelungen anpassten. In der Kontrolle der Krankenkassen nahm der jeweils amtierende Gewerbeinspektor eine tragende Rolle ein. Diese österreichischen Beamten orientierten sich an den für Österreich geltenden Bestimmungen und benutzten ebenso die dort üblichen Formulare und Kontrollblätter. Dies führte dazu, dass manche österreichische Vorschrift auch für das kleine Liechtenstein übernommen wurde, ohne dass dafür explizit eine gesetzliche Grundlage be- 
der HH. Enderlin & Jenny ... verpflichtet, dieser Unter- stützungskasse beizutreten, mit Ausnahme derjenigen Angestellten, die Jahresgehalt ...»55 
bezogen. Dies wurde auch in der Fabrikordnung festgehalten, bei Eintritt in den Betrieb erhielt jeder Arbeiter ein Exemplar der Sta- tuten. Gewichtige Verstösse gegen die Ordnungen der Krankenkasse konnten mit einer fristlosen Entlassung geahndet werden. Im Falle einer solchen Entlassung be- stand kein Anrecht auf ein Zeugnis. Auch fiel der nicht ausbezahlte Wochenlohn an die Krankenkasse.56 Die Beiträge der Unterstützungskassa wurden «jeden Zahltag vom Lohne jedes Arbeiters erhoben und zwar ordentlicherweise per Franken mindestens einen bis höchstens drei Rappen.»57 Auch wurden verschiedene Bussen aus Verletzungen der Betriebsordnung in die Krankenkasse eingeschossen. Abgesehen von einer bei der Gründung gemachten Grundeinlage war die Firma vorläufig nicht an der Finanzierung der Kasse beteiligt. Erkrankte Arbeiter hatten erst «8 Wochen nach dem Ein- tritt und unausgesetzter Thätigkeit in der Fabrik» und für maximal ein halbes Jahr Anspruch auf Unterstützung durch die Kasse. Im Falle von psychischen Erkrankungen wurde höchstens für drei Monate Unterstützung ge- währt. Auch für entstehende Kosten im Todesfall kam die Versicherung teilweise auf und zwar mit einem Zu- schuss von Fr. 20, respektive Fr. 10 für minderjährige Versicherte.58 
1893 wurde schliesslich eine eigene Ver- sicherung für die Arbeiterschaft in Triesen gegründet.59 Die Statuten wurden dabei von jenen der Spinnerei in Vaduz übernommen, wo erst zwei Jahre zuvor eine Krankenversicherung eingerichtet worden war. Ände- rungen der Statuten 1894 und 1901 brachten keine ge- nerellen Veränderungen in der Organisation der Kasse oder in den erbrachten Leistungen. Sie stellten lediglich kleinere Neuformulierungen und Detailanpassungen an die Beitrags- und Leistungssätze mit einer tendenziellen Verschlechterung der Leistungen dar.60 Die Belegschaft im Vaduzer Ebenholz, wo die Firma Jenny und Spoerry ab 1883 eine Spinnerei betrieb, hatte bis 1891 noch keinen Krankenversicherungsschutz. Eine entsprechende Firmenkasse wurde erst 1891 auf Drän- gen des Gewerbeinspektors errichtet. Diesbezüglich hielt Inspektor Ernst Rziha bereits im Begleitschreiben zu den Inspektionsberichten für 1888 
fest: «Jenny Spörry & Comp. Spinnerei Vaduz hat bis jetzt keine Krankenkassa, sondern legt die Strafen in die Kostsparkassa Kapitel_1_Vogt.indd   1626.07.11   13:44
	        

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