Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

128Klausmann Hubert: Dr. Dr. Arno Ruoff, 
1930–2010 
von mehr als 40 Stunden verfügen. Darüber hinaus enga- gierte sich Arno Ruoff mehrere Jahre lang beim VALTS als Gutachter für Liechtenstein. Dass der VALTS abge- schlossen werden konnte, ist auch sein Verdienst. Im Jahr 1973 – also nach 20 Jahren Sprachaufnahme – gründete Arno Ruoff die Reihe «Idiomatica», und um alle folgenden Arbeiten methodisch zu entlasten, verfasste er selbst den ersten Band. «Grundlagen und Methoden der Untersuchung gesprochener Sprache» – so der Ti- tel – wurde zu einem Standardwerk. In den folgenden Jahrzehnten sollten diesem ersten Idiomatica-Band noch weitere 16 folgen. Arno Ruoff hatte eine enorme Energie – und er be- nötigte diese auch. Da war zum Beispiel das Organisie- ren und die Durchführung von Aufnahmen zu bewäl- tigen, was nicht nur wegen des Wetters und Geländes gerade im Winter häufig abenteuerlich war. Arno Ruoff aber war zäh. Wenn er sich eine Aufnahme in den Kopf gesetzt hatte, dann wollte er sie auch durchführen, und er nahm sich dafür auch die nötige Zeit. Schliesslich muss der Sprachforscher aber auch das Geschick ha- ben, die Leute zum Erzählen zu bringen. Da Arno Ruoff dieses Talent in reichlichem Masse zur Verfügung stand, finden wir auf den von ihm hergestellten Kassetten und CDs Geschichten, die auf die Vielseitigkeit des mensch- lichen Lebens aufmerksam machen. Gerade dies zeichnet die Ruoffschen Aufnahmen aus: Sie sind einerseits die Grundlage für sprachwissenschaftliche Fragestellungen, andererseits sind sie aber auch von ihrem Inhalt her hochinteressant, denn hier wird der Alltag der kleinen wie auch der grossen Leute erzählt. Geradezu typisch ist für ihn daher auch der bereits oben genannte Titel seines letzten Werkes: Tal und Berg – Volk und Fürst. Die Ruoffschen Aufnahmen geben letztendlich einen umfassenden und lebendigen Einblick in die Kulturge- schichte des Alltags in Baden-Württemberg, Vorarlberg und Liechtenstein. Da manche seiner Gewährspersonen noch im 19. Jahrhundert geboren waren, umfasst die er- zählte Zeit ein ganzes Jahrhundert. Im Jahr 1999 erhielt Arno Ruoff aus den Händen von Herzog Carl von Württemberg in Anerkennung seiner Verdienste um die schwäbische Mundart den Ludwig-Uhland-Preis. Für seine Untersuchung der frän- kisch-alemannischen Sprachgrenze mit einer Gruppe von Studenten erhielt er zusammen mit diesen den Johann-Andreas-Schmeller-Preis, und im Jahr 2001 
Im Sommer 2010 verstarb im Alter von 80 Jahren der Tübinger Sprach- und Kulturwissenschaftler Arno Ruoff. Schon von der Krankheit gezeichnet, konnte er noch im Herbst 2009 sein Liechtensteiner Tonporträt «Tal und Berg – Volk und Fürst – Liechtenstein in 50 Gesprächen» zum Abschluss bringen. Der Anfang seiner Beschäftigung mit den Mund- arten des südwestdeutschen Raumes ist für Arno Ruoff untrennbar mit dem Namen Eberhard Zwirner verbun- den. Als dieser Anfang der 1950er Jahre daran ging, die deutschen Mundarten und die deutsche Umgangsspra- che auf Tonbänder aufzunehmen, war Arno Ruoff so- gleich dabei. Aus diesen Anfängen heraus entstand dann später die von Arno Ruoff gegründete und geleitete «Tübinger Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutsch- land». Aus diesem Hause sind im Laufe der Jahre über 120 Publika-tionen hervorgegangen. Allein diese Zahl mag schon darauf hinweisen, welche Bedeutung die «Tübinger Schule» unter Arno Ruoff für die Mundart- forschung erlangte. Ruoffs Absicht war es, einerseits die traditionelle Dialektologie um den sprachsoziologischen Aspekt zu bereichern, andererseits sollten auch die syntaktischen und stilistischen Fakten der gesprochenen Sprache er- fasst werden. Gerade in diesem Forschungsansatz zeigt sich, wie wichtig Arno Ruoff für die Erforschung gespro- chener Sprache war, denn die seit den 1950er Jahren im ganzen alemannischen Raum entstehenden Sprachatlan- ten – wie bei uns der «Vorarlberger Sprachatlas mit Ein- schluss des Fürstentums Liechtensteins, Westtirols und des Allgäus» (VALTS) – mussten ihre Forschungen auf bestimmte Phänomene der Sprache einschränken, wenn sie überhaupt innerhalb eines Forscherlebens zum Ab- schluss kommen sollten. Da Arno Ruoff nicht in einem solchen Sprachatlasunternehmen gefangen war, konnte er mit seinen Arbeiten und den Arbeiten seiner Schüler das Faszinierende unserer lebenden Dialekte in ganz an- deren Bereichen aufzeigen. Arno Ruoff war von seinem Forschungsgegenstand, der gesprochenen Sprache, zeit seines Lebens fasziniert. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, bei der Er- forschung der alemannischen Mundarten nicht an den Staatsgrenzen anzuhalten, sondern sie zu überschreiten. Daher besuchte er schon 1964 zum ersten Mal Liechten- stein, weitere Besuche folgten, so dass wir heute über 86 Liechtensteiner Sprachaufnahmen mit einer Dauer Kapitel_5_Klausmann.indd   12826.07.11   13:46
	        

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