Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

120Rezensionen 
Aussicht auf weitere Forschungsergebnisse Obwohl ursprünglich offenbar so konzipiert, handelt es sich beim Werk von Peter Geiger nicht um eine alle Aspekte umfassende «Gesamtdarstellung» der Kriegszeit. So wird die Wirtschaft, die in den «Krisenzeit»-Bänden und den Publikationen der «Unabhängigen Historiker- kommission» breiten Raum einnimmt, nur am Rande thematisiert. Auch die Alltagsgeschichte scheint ledig- lich in chronikalisch abgefassten Passagen – etwa zu den Tagen um den Kriegsausbruch – schlaglichtartig auf. Nicht oder nur knapp behandelt wurden vom Verfasser bereits früher bearbeitete Themen wie der Grenzüber- tritt von Resten der «1. Russischen National-Armee der Deutschen Wehrmacht» bei Kriegsende. Um den Um- fang der Publikation in vertretbarem Rahmen zu hal- ten, war der Autor gezwungen, eine Auswahl aus der immensen Materialfülle zu treffen, die er in jahrelanger Arbeit zusammengetragen hatte. Verloren sind diese jetzt nicht verwendeten Forschungsunterlagen aber kei- neswegs: Geiger stellt weitere Einzelpublikationen in Aussicht, namentlich zu den Themenbereichen Spionage und Kriegsteilnehmer aus Liechtenstein (Freiwillige und deutsche Wehrpflichtige), ebenso zu Aspekten der Wirt- schaftsgeschichte. Noch unerforscht sind auch die liech- tensteinisch-sudetendeutschen Absprachen 1938 und die Bemühungen um Rückgewinnung der verlorenen tschechischen Besitzungen – hierzu dürfte die von Gei- ger präsidierte liechtensteinisch-tschechische Historiker- kommission neue Erkenntnisse bringen. Anlässlich der Buchvorstellung wurde betont, Gei- gers «Kriegszeit» verdiene es, zur Pflichtlektüre für die Lehrkräfte zu werden. Damit dieses absolut berechtigte Anliegen aber nicht am Umfang des Werkes scheitert, wäre die Erarbeitung einer Kurzfassung für die Schule und den Alltagsgebrauch ein grosser Gewinn. Bildnachweis Alle Abbildungen entstammen den zwei Bänden «Kriegszeit – Liechtenstein 1939 bis 1945» von Peter 
Geiger Anschrift des Autors Dr. phil. Werner Hagmann, ETH Zürich, Archiv für Zeitgeschichte, Hirschengraben 62, CH-8092 
Zürich 
Bedenken jedoch rasch. Ein Namensregister erleichtert zusammen mit dem detaillierten Inhaltsverzeichnis die Orientierung wesentlich und macht den Verzicht auf eine Zusammenfassung weitgehend wett. Im Bestreben um Kontextualisierung findet mitunter auch historisches Allgemeinwissen zum Zweiten Weltkrieg Eingang. Für Schweizer Leser gewöhnungsbedürftig ist die sich of- fenbar an österreichische Gepflogenheiten anlehnende Erwähnung akademischer Titel vor jeder, auch wieder- holten Namensnennung. Ein sehr gutes Urteil verdient das sorgfältige Lekto- rat und Korrektorat. Im umfangreichen Werk finden sich kaum offensichtliche Fehler. Eine der raren Ausnahmen ist die irrtümliche Datierung des Fürstenbesuchs im Aus- wärtigen Amt in Berlin auf den 15. Juli 1944 anstatt 1943 und dessen zeitliche Verknüpfung mit einem Besuch bei Aussenminister Marcel Pilet-Golaz in Bern im Sommer 1944 (Band 2, S. 303). Die zahlreichen, mehrheitlich sehr aussagekräftigen Abbildungen bereichern die Bände und animieren zum Blättern. Durch die meist blockweise Zusammenfassung bleiben die Bilder aber weitgehend losgelöst vom schrift- lichen Kontext. Erstaunlich ist, dass sich – vielleicht als Folge des Versammlungsverbots – keinerlei Fotos zu den politischen Aktivitäten sowohl der einheimischen NS-Anhänger wie auch der beiden Regierungsparteien finden. Mehrere Abbildungen betreffen allgemein den Nationalsozialismus und seinen führenden Exponenten sowie das Kriegsgeschehen, ohne unmittelbaren Bezug zu Liechtenstein. Die Wiedergabequalität ist – teilweise wohl auch durch die zur Verfügung stehenden Vorlagen bedingt – nicht bei allen Bildern gleich gut. Der Leser aus dem angrenzenden St. Galler Rheintal weiss es besonders zu schätzen, dass Geiger den Blick immer wieder über die Rheingrenze hinaus richtet, etwa indem er zum Vergleich wiederholt den in Buchs er- scheinenden «Werdenberger & Obertoggenburger» als Quelle beizieht. Nicht thematisiert sind die Beziehungen zwischen der Volksdeutschen Bewegung und den ideo- logisch verwandten Schweizer Frontisten wie dem Az- mooser Pfarrer Werner Wirth sowie zwischen der Deut- schen Kolonie in Liechtenstein und jener im Werden- berg, welche der Buchser Privatchauffeur John Frey in seinem 1945 publizierten Erlebnisbericht «Aus dem Ta- gebuch eines Fernfahrers» andeutet. Möglicherweise ist dies in Liechtenstein gar nicht aktenkundig geworden. Kapitel_4_Hagmann.indd   12026.07.11   13:46
	        

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