Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

117 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 110, 
2011Der 
Fürst verfolgte namentlich drei Ziele: Die Sicherung des liechtensteinischen Staats und Throns, die Sicherung des verstreuten Besitzes des Fürstenhauses, der haupt- sächlich im deutschen Machtbereich lag, sowie Schutz und Kontrolle der weitverzweigten Verwandtschaft als Familienoberhaupt der Fürstenfamilie. Aufgrund dieser weit auseinander liegenden Interessensfelder war der Fürst, obwohl Wohnsitz in Vaduz, während des Krieges – von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – etwa die Hälfte der Zeit landesabwesend. Politisch hielt sich der Fürst seit seinem Regierungs- antritt zurück und unterzeichnete alle von der Regie- rung eingebrachten und vom Landtag verabschiedeten Gesetze. Aussenpolitisch ging es ihm einerseits um die Fortführung und Vertiefung der Partnerschaft mit der Schweiz, anderseits um die Betonung der freundnach- barlichen Beziehungen mit Deutschland, unter Vermei- dung des Anscheins der «Deutschfreundlichkeit». Die Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938/39 er- öffnete die Perspektive, Teile der durch die tschechische Bodenreform verloren gegangenen fürstlichen Güter zu- rückzuerhalten – entsprechende Bemühungen sind bis mindestens 1941 nachweisbar. Ob der Fürst damit (vor- läufigen) Erfolg hatte, ist noch ungeklärt. 1945 wurden mit den Benesch-Dekreten alle fürstlichen Güter in der Tschechoslowakei endgültig enteignet. Von 1938 bis 1945 pflegte der Fürst einen Glück- wunsch-Telegramm-Austausch mit Hitler. Wiederkeh- rende Anlässe waren Jahreswechsel sowie Führer- und Fürstengeburtstag, spezielle Anlässe die Münchner Konferenz 1938, der Berlin-Besuch 1939, die Hitler-At- tentate 1939 und 1944 sowie die Fürstenhochzeit 1943. Neben dem Fürstenbesuch 1939 waren dies die einzigen direkten Kontakte mit Hitler. Sie dienten der Respekt- pflege auf höchster Ebene, gingen oft über diplomatische Höflichkeitsfloskeln hinaus und enthielten teils sehr anpasserische Formulierungen, waren somit 
«opportu- nistische Gesten gegenüber Hitler», die den Kriegsverlauf widerspiegeln. Die Telegramme wurden immer beant- wortet, was einer jeweils aktuellen Anerkennung Liech- tensteins gleichkam. Am 15. Juli 1943 wurde der Fürst zu einer inoffizi- ellen, aber keineswegs ganz «unpolitischen» Vorsprache im Auswärtigen Amt in Berlin empfangen. Insgesamt ging es bei diesem gegenüber der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Besuch um eine höfliche diplomatische Plau- 
Regierung, Landtag, FBP und Volk über Liechtenstein- Belange und eine Zusammenarbeit zu verhandeln, «skandalös und zugleich naiv» und beinhaltet Elemente der Kollaboration. Die Absicht war offenbar, gegen- über der deutschen Seite die VU als führende Kraft der Deutschfreundlichen zu profilieren und die VDBL zu verdrängen. Deutsche Regierungs- und Parteistellen mischten sich wie selbstverständlich in die liechtensteinische Innenpolitik ein. Die VU erlag zeitweise der Versuchung, zusammen mit der VDBL im Lande und gegenüber dem Reich einen Bedeutungszuwachs zu erlangen. Wäre das Ganze zum Tragen gekommen, hätte dies weitreichende Konsequenzen haben können. Dass es nicht dazu kam, hing insbesondere mit der sich abzeichnenden Wende in der Kriegsentwicklung zusammen. Während die VDBL – ungeachtet zeitweiser tak- tischer Abweichungen – durchgehend auf «Anschluss» ausgerichtet war und damit hochverräterisch handelte, betrieb die VU-Führung eine auf den ersten Blick wider- sprüchliche 
«Opportunitätspolitik, der jeweiligen Situation angepasst». Vogts Sondierungen in Deutschland signali- sierten 1940/41 eine 
«Bereitschaft zur Kollaboration». Ab 1942 hingegen setzte er wieder auf die Erhaltung der staatlichen Eigenständigkeit. Seine Haltung ist ambiva- lent und zugleich konsequent, was seinen Opportunis- mus betrifft. Er hatte verschiedene Gesichter: Anschluss- politiker, Anpasser, Taktierer und Patriot – 
«er passte sich der in der Kriegszeit fliessenden Situation wendig an». Der einflussreiche zweite Mann in der Regierung dürfte – gerade wegen seiner unberechenbaren Art und seinem verdeckten Vorgehen – der gefährlichste Akteur in der Liechtensteiner Politik während des Krieges gewesen sein, noch mehr als die politisch weitgehend isolierten VDBL-Führer, über deren wahre Absichten keinerlei Zweifel bestehen 
konnte. Fürst Franz Josef II. – Staatsoberhaupt, Sym- bolfigur und hochadliger Grossgrundbesitzer Der seit 1938 regierende Monarch und das Land waren in der Kriegszeit existenziell miteinander verbunden: Franz Josef II. konnte nur Fürst bleiben, solange Liech- tenstein als Staat bestand, und für das Land wiederum war er 
«Garant und Symbol der staatlichen Selbständigkeit». Kapitel_4_Hagmann.indd   11726.07.11   13:46
	        

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