Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

lerdings von individuellen Merkmalen und der Situation, in der sie ak- tualisiert und ausgewertet werden müssen, abhängig. Ebenso wichtig wie das Prozessmodell selbst ist darüber hinaus der Begriff der Meinung, den diese Überlegungen nahe legen. Eine Meinung ist demnach eine Konstruktion des Augenblicks, die sich gleichwohl auf nicht-zufällige Voraussetzungen zurückführen lässt: Menschen haben nicht einfach 
eineMeinung von einer Sache, sondern sie besitzen das Po- tenzial zur Konstruktion eines Spektrums an Meinungen (Zaller 1992, 38). Die Meinungsäusserung folgt keinem kohärenten Einstellungskom- plex, sondern ist das Ergebnis eines zwar nicht zufälligen, aber eben auch keineswegs stabilen und beliebig replizierbaren Prozesses. Gegenüber den meisten öffentlichen Angelegenheiten vertritt gerade die Masse der politisch weniger involvierten Bürger keine langfristig fixierten, rational abgewogenen Einstellungen, die wiederholt abrufbar wären und jeweils zu identischen oder doch richtungspolitisch konsistenten Meinungsäus- serungen führen müssten. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Menschen verfügt hinsichtlich der meisten politischen Themen (nicht hinsichtlich aller!) lediglich über einen mehr oder weniger grossen Pool von Beweg- gründen oder Erwägungen, die in sich aber selten widerspruchsfrei und konsistent sein werden, sondern vielmehr unverbunden, nicht aufeinan- der abgestimmt, häufig miteinander inkompatibel sind und in wechseln- der Zusammensetzung im Gedächtnisspeicher schlummern. Unter die- sen Bedingungen hängt die Meinungsbildung in einer konkreten Ent- scheidungssituation vor allem davon ab, welche Beweggründe momen- tan aktiviert werden können und in welche Richtung sie – per saldo – weisen. Meinungswandel kann auf der Basis dieses Modells zweierlei be- deuten. Einerseits kann sich das Mischungsverhältnis akzeptierter Pro- und Contra-Erwägungen im Gedächtnisspeicher eines Bürgers verän- dern (Zaller / Feldman 1992, 610). Dafür werden an erster Stelle grund - legende Veränderungen in der politischen Ausrichtung massgeblicher gesellschaftlicher Informationsströme verantwortlich sein, etwa eine grundlegende Tendenzwende in der Darstellung und öffentlichen Kom- mentierung bestimmter Ereignisse. Nur die kleine Gruppe der beson- ders widerstandfähigen politischen Aktivbürger wird dem geballten Me- dientenor trotz intensiver Zuwendung politisch standhalten können, wenn die eigenen Vorüberzeugungen und Werte den öffentlich verbrei- teten Botschaften entgegen stehen. Die Masse der politisch weniger In- 56Öffentlichkeit, 
öffentliche Meinung und Demokratie
	        

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