Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

Meinung wird indes erst sichtbar, wenn sie geäussert wird 
(Mei- nungsäusserung), etwa als Stellungnahme in einem Gespräch oder als Antwort auf die Frage eines Interviewers. Die auf Befragungsinstrumen- ten basierende Meinungsforschung sieht sich insoweit mit dem Problem der sogenannten «Non-Attitudes» (Converse 1964), «No-Opinions» (Bogart 1967) beziehungsweise «Pseudo-Opinions» (Reuband 2000) konfrontiert. Befragte folgen in der Regel der impliziten Erwartung, dass man zu allem, was man gefragt wird, eine Meinung haben sollte. In der Befragung geben sie folglich eine «Stellungnahme ab, obwohl sie vorher über die Thematik noch nicht nachgedacht haben» (Reuband 2000, 812), worin auch Bourdieu (1993, 215) einen kapitalen Einwand gegen die Meinungsforschung sieht. Die notwendigen Rohstoffe der Meinungsbildung sind den Men- schen vorgängig durch direkte Erfahrung mit dem Meinungsobjekt oder über Prozesse der interpersonalen und medienvermittelten Kommuni- kation zugeflossen, ohne dass notwendig unterstellt werden muss, dass diese willentlich und absichtsvoll im Hinblick auf bestimmte Meinungs- äusserungen «gesammelt» worden sind. Sie werden über die Sinnesorga- ne aufgenommen und gelangen über das Ultra-Kurzzeitgedächtnis und das Arbeitsgedächtnis selektiv in das Langzeitgedächtnis, wo sie als Wis- sensbestandteile und Bewertungen (Einstellungen, Normen) für Mei- nungsäusserungsprozesse verfügbar gehalten werden.14Während die psychologische Forschung Meinungsbildung mit Blick auf die (willent- liche oder unwillentliche) Aktivierung des Langzeitgedächtnisses (Has- tie / Park 1986) fokussiert, wird der Prozess der Meinungsbildung von der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft weiter gefasst. Er umfasst bereits die Nutzung der gesellschaftlich verfügbaren Informati- ons- und Kommunikationskanäle sowie die Rezeption der dabei emp- fangenen Kommunikationsbotschaften.15Kurz: die Füllung der Ge- dächtnisspeicher durch öffentliche und interpersonale Kommunikation wird als fundamentale Voraussetzung von Meinungsbildung und Mei- 47 
Kommunikationstheoretische Grund lagen 14Den oben eingeführten Begriff der No- oder Pseudo-Opinions würde man folglich terminologisch für diejenigen Fälle reservieren können, in denen Meinungen zu fik- tiven Personen oder Sachverhalten geäussert werden, über die vorab gar keine In- formationen geflossen sein können. 15Meinungsrelevante Botschaften können dabei sowohl Meinungsäusserungen als auch Tatsachenbehauptungen sein.
	        

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