rechte (und nicht nur deren Wahrnehmung) ist eine Herausforderung der offiziellen staatlichen Politik, die diese dazu zwingt, sich öffentlich zu rechtfertigen, als die bessere Alternative zu präsentieren und für Un- terstützung zu werben. In ähnlicher Weise argumentiert Welzel (1997) mit seinem Refe- renzmodell einer «interaktiven Demokratie». Die nachlassende politi- sche Integrationskraft des repräsentativen Prinzips in den parlamenta - rischen Systemen Westeuropas erklärt Welzel mit der Schwächung der legislativen Repräsentativorgane im inter-institutionellen Verhandlungs- geflecht des deutschen Föderalismus und der Europäischen Union bei gleichzeitig steigenden Mitsprachekompetenzen und -ansprüchen in der «kognitiv mobilisierten» Bildungsschicht. Als angemessene Reaktion auf diese «kontradiktorischen Wandlungstendenzen» empfiehlt der Verfas- ser eine Anpassung der institutionellen Struktur von Bürger-Elite-Be- ziehungen, um neue Responsivitätszwänge zu institutionalisieren und damit die «Kompetenz- und Präferenzeinbindung» der Politik zu erhö- hen: «Um so weniger das allgemeine (Elitenaus-)Wahlrecht der Bürger dazu noch hinreicht, desto mehr drängt sich die Konsequenz auf, es auf ein allgemeines (Sach-)Entscheidungsrecht auszuweiten» (Welzel 1997, 61). Dieser Weg führt von einer «rezeptiven Demokratie» (72), in der die politisch-administrativen Eliten permanent auf die Rolle des Hand- lungssubjekts und die Bürger (jenseits der periodischen Elitenauswahl) dauerhaft auf die Rolle des Handlungsobjekts festgelegt sind, zu einer «interaktiven Demokratie», in der die Subjekt-Objekt-Rollenverteilung wechseln kann und politische Steuerung insoweit aus wechselseitigen Steuerungsimpulsen zwischen Bürgern und Eliten resultiert (73). Die in- frastrukturellen Voraussetzungen dafür seien günstig, weil die modernen Gesellschaften sich mittels interaktiver elektronischer Online-Medien zunehmend vernetzten. Dadurch wird die Fähigkeit zur Selbstkoordina- tion sozio-politischer Interessen enorm gesteigert: «Durch kommunika- tive Vernetzung untereinander und mit offiziellen Stellen können die Bürger einer Kommune, einer Region oder eines Staates sehr viel schnel- ler und koordinierter auf Elitenhandlungen reagieren als jemals zuvor, denn Reaktionen – sei es in Form von Eingaben, Initiativen oder Ab- stimmungen –, die über das elektronische Kommunikationsnetz erfol- gen, setzen die üblichen Beteiligungsbarrieren, wie Zeitaufwand und örtliche Präsenz, auf geradezu dramatische Weise herab.» (Welzel 1997, 74) Direktdemokratische Einflussnahme auf Sachentscheidungen und 43
Demokratietheoretische Grundlagen