Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

verstärkende «Neinsager-Welle», gegen die jede Kampagnenkunst machtlos ist. Hier aber war die Welle Teil der Kampagne, ausgelöst durch wiederholt herbeigeführte Erdstösse in Form weitreichender An- kündigungen des Staatsoberhaupts. Dessen hierarchische Stellung ver- lieh seinen Drohungen ein hohes Mass an Glaubwürdigkeit. Ob die prognostizierten Konsequenzen tatsächlich eingetreten wären oder hät- ten herbeigeführt werden können, entzog sich der rationalen Diskus- sion. Die Schreckensszenarien waren – mit höchster Autorität ausgestat- tet – in der Welt und mussten durch die Kampagne nur noch wirksam in Szene gesetzt werden. Noch ungewöhnlicher ist, dass ausgerechnet die Status Quo-Heuristik in den Dienst einer Initiative gestellt wurde, die einen beträchtlichen Umbau am Verfassungsgefüge des Landes beab- sichtigte. Sie stand also objektiv nicht im Dienst des Bewahrens, sondern in dem der Veränderung, und sie erzeugte keine Neinsager-, sondern eine Jasager-Welle. Der Erfolg dieser erstaunlichen Umkehrung der Ver- hältnisse, in deren Folge der Experimentator wie ein Bewahrer dastand, basierte auf einer zutreffenden Einschätzung der politischen Prioritäten einer Mehrzahl der Landesbürger durch die Pro-Kampagne. Der Verlust einiger Verfassungsartikel, und seien sie demokratiepolitisch von noch so grosser Bedeutung, wurde in der Wahrnehmung der Wähler von der Chance verdeckt, durch das Jasagen das monarchische Gepräge als Al- leinstellungsmerkmal des Kleinststaates zu erhalten. In kommunikativer Hinsicht war die kontrafaktische Umkehrung von Verändern und Be- wahren höchst folgenreich. Die Begründungslast für eine Entscheidung, die den Status Quo verändern will, ist immer erheblich höher als der Rechtfertigungsbedarf des Bestehenden. Nachdem sich die systemverän- dernde Initiative als Status Quo erhaltend maskiert hatte, konnte sie auf inhaltliche Deliberation verfassungspolitischer Einzelheiten zugunsten eines schlichten «Weiter mit Fürst und Volk» weitgehend verzichten. Die Begründungslast lag bei den vermeintlich revolutionären Neinsa- gern, die die Aufgabe zwar annahmen, sich aber hieran die Zähne aus- bissen. Lassen sich statistisch signifikante Differenzen der Wirkung von Öffentlichkeit auf Bevölkerungsgruppen mit schwacher, mittlerer und starker politischer Involvierung nachweisen? Die Frage lässt sich mit einem klaren «Nein» beantworten. Die entsprechende Annahme beruht auf der Überlegung, dass die «Formbarkeit» des politischen Verhaltens in einer Bevölkerungsgruppe mit schwach ausgeprägten Voreinstellun- 325 
Diskussion und Schlussfolgerungen
	        

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