Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

methodischen Gründen kaum nachweisbar, schlicht weil die untersuchte Population kaum Varianz aufweist (Zukin / Snyder 1984, 630). Dass die Landeszeitungen keine nachweisbaren meinungsbilden- den Effekte bewirken, lässt sich darüber hinaus mit der von John Zaller betonten Unterscheidung von selektiver Nutzung und selektiver Ak- zeptanz erklären. Während Selektivität auf der Ebene der Nutzung ta- gesaktueller Medien in Liechtenstein offenbar kaum eine Rolle spielt, weil man meint, für ein halbwegs vollständiges Bild beide Landeszeitun- gen anschauen zu müssen, ist die Akzeptanz der dort vermittelten Bot- schaften stark abhängig von den eigenen Voreinstellungen. Man nimmt die Sichtweise der beiden politischen Lager zur Kenntnis, ist aber weit davon entfernt, die Botschaften der politischen Richtung, mit der man selbst nicht sympathisiert, als Orientierungspunkt des eigenen politi- schen Verhaltens zu verwenden. Sie dienen eher als negativer Referenz- punkt der eigenen Meinungsbildung. Im Endeffekt haben damit die Ta- geszeitungen bestenfalls Verstärkerwirkungen. Statistisch gesprochen: die Wirkung der Presse geht nicht über die Wirkungen der Parteiidenti- fikation und anderer politischer Voreinstellungen hinaus. Wie auch, wenn sie nichts anderes ist als ein Ausdruck von Parteibindungen. Ein Parteipressesystem kann sich schlechterdings nicht zu einer eigenständi- gen gesellschaftlichen Institution mit unabhängiger politischer Präge- kraft entwickeln. Wenn es noch eines weiteren Beleges für diese Binsen- wahrheit bedurfte, dann ist er hiermit geliefert. Ein zweiter Prime war im vorliegenden Fall von kaum zu über- schätzender Bedeutung: die semantische und visuelle Aktivierung von Verlustängsten. Der von der Pro-Kampagne in Aussicht gestellte Verlust des Staatsoberhaupts, der Verlust der Monarchie, der Verlust des Lan- desnamens, der Verlust von Schloss und Stadtbild sowie der mittelbare Verlust von Wohlstand, staatlicher Souveränität und Ansehen in der Welt, verstärkten ohne Zweifel die Orientierung am Bestehenden, die berühmte Status Quo-Tendenz von Entscheidungen unter Unsicherheit (Kahneman u. a. 1991). Wenn Menschen nicht genau wissen, welche Ver- änderungen eine Entscheidung mit sich bringt, neigen sie dazu, bei dem zu bleiben, was sie sicher zu haben meinen. Die an sich in Abstim- mungskämpfen nicht unbekannte Präferenz für den Status Quo nahm aber in Liechtenstein höchst ungewöhnliche Formen an. Zum einen kennt man das Phänomen bisher vornehmlich als unkontrollierbare Ei- gendynamik der Wählerschaft, eine sich stetig aufbauende und selbst 324Diskussion 
und Schlussfolgerungen
	        

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