Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

sind demgegenüber minimal, wenn sie überhaupt nachgewiesen werden können (Rössler 1997). Es ist argumentiert worden, dass die Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien im direktdemokratischen Kontext praktisch keine Rolle spielt. Immerhin sei das Thema spätestens zum Zeitpunkt der Anmel- dung eines Volksentscheids auf der politischen Tagesordnung und im Verlauf des weiteren Prozesses von nichts und niemandem mehr von dort zu verdrängen. Eine der wichtigsten Funktionen direktdemokrati- scher Einrichtungen (namentlich der Initiative) sei es gerade, Themen auf die Tagesordnung einer Gesellschaft zu setzen, ganz unabhängig davon, wie der Entscheid schliesslich ausgeht. Danach sind die Volks- rechte selbst und nicht etwa die Medien zentrale Einrichtung des Agenda-Setting in der direkten Demokratie. Auch wenn dieser Analyse unumwunden zuzustimmen ist, folgt daraus keineswegs, dass Agenda- Setting im eigentlichen Abstimmungsprozess keine Rolle spielt. Im Ge- genteil: Erstens macht es durchaus Sinn zu prüfen, welcher 
Stellenwert (Salience)einer Abstimmungsmaterie im Rahmen des politischen Pro- blemhaushalts zugeschrieben wird, weil dies eine zentrale Determinante der Mobilisierungsfähigkeit und Stimmbeteiligung sein dürfte, mit mög- lichen Konsequenzen für den Abstimmungsausgang. Zweitens lassen sich politische Probleme, egal ob sie auf direktdemokratischem oder par- lamentarischem Wege entschieden werden, immer in eine Mehrzahl von Problemaspekten differenzieren. Deren relatives Gewicht 
(Priorities)in der öffentlichen Debatte lässt reichlich Raum für Agenda-Setting-Ef- fekte. Das lässt sich am hier behandelten Beispiel besonders gut sichtbar machen. Die mit einem einfachen «Ja» oder «Nein» zu beantwortende Verfassungsfrage beinhaltet beim näheren Hinsehen die Revision von nicht weniger als dreissig Einzelartikeln. Mindestens acht bis zehn Ver- fassungsänderungen standen im Zentrum der politischen und öffent - lichen Aufmerksamkeit. Jede von ihnen bildete ein komplexes, eigen- ständiges Sachproblem. Die Spannweite reichte vom Verfahren der Bestellung von Richtern über die Stellung der Gemeinden im Staatsver- band, die Eingriffsmöglichkeit des Staatsoberhaupts in den Gesetzge- bungsprozess bis zum Erlass von Notverordnungen, den geregelten Weg zur Abschaffung der Monarchie und anderes mehr. Die Frage, welches dieser Themen von den Stimmbürgern als das wichtigste Problem ange- sehen wurde, musste für die individuelle und kollektive Meinungsbil- dung schon deshalb von besonderer Bedeutung sein, weil das Ausmass 298Entstehung 
und Entwicklung der Bevölkerungsmeinung
	        

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