Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

Im Falle der Politik, der gesamtgesellschaftlich die Aufgabe zufällt, kollektiv verbindliche Entscheidungen zu produzieren und durchzuset- zen, manifestiert sich das grundlegende Komplexitätsproblem als umfas- sende Kontingenz des politisch und rechtlich Möglichen in der moder- nen Massendemokratie.6Wo fast alles zur Disposition der Politik steht, muss (paradoxerweise) zunächst einmal sichergestellt werden, dass über- haupt etwas geschieht, d.h. es müssen Auswahlmechanismen vorhanden sein, die eingrenzen, was als Nächstes angepackt werden soll. Um ihre gesellschaftliche Funktion erfüllen zu können, benötigt Politik wie die anderen Funktionsbereiche der Gesellschaft nicht nur ein Erfolgsmedi- um, in dem Falle «Macht», das die Verbindlichkeit zumutungsreicher Entscheidungen steigert, es benötigt auch eine «Selektionshilfe» bei der Entscheidung über Entscheidungsinhalte. An diese Stelle setzt Luhmann das Medium der öffentlichen Meinung, verstanden als thematische Struk tur politischer Kommunikation. Das Überraschende dieser Be- griffsfassung liegt in der zunächst kontraintuitiven Priorität von Themen öffentlicher Kommunikation gegenüber vielfältigen Meinungen. Sie ist Luhmanns unbeirrbarer Konzentration auf das «Bezugsproblem» der Komplexität geschuldet, unter Absehung aller sonstigen Ansprüche an den Begriff. Für das Funktionieren der Politik reicht es, wenn man weiss, mit welchen Themen man sich zu beschäftigen hat und mit wel- chen nicht. Damit wird öffentliche Meinung zugleich von allen Rationa- litätserwartungen befreit, die geweckt werden, wenn öffentlicher Kom- munikation die Herausbildung vernünftiger, konsensfähiger und gut begründeter Meinungen zugetraut wird, die theoretisch auf der Input- Seite des politischen Systems als entscheidungsprägende Wirkungen zu verorten wären. Mit der Differenzierung von Thema und Meinung be- steht Luhmann demgegenüber darauf, dass es in erster Linie auf die Be- grenzung des Horizonts möglicher Themen politischer Kommunikation ankommt, zu denen man nach wie vor unterschiedliche Meinungen ver- treten kann. So wie die «decision rules» des politischen Systems die Entschei- dungsbildung steuern, so strukturieren sogenannte «attention rules» die Lenkung von Aufmerksamkeit und damit die Kreation und Auswahl von Themen für die Entscheidungstätigkeit. Während die erstgenannten 17 
Öffentlichkeitstheoretische Grund lagen 6Vgl. im Weiteren Marcinkowski 2002b.
	        

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