Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

debatte an der Sondersitzung vom 20. / 22. Dezember signalisiert, was auf dem Spiel stand. Gleichzeitig stellte der Landesfürst klar, dass das Fürstenhaus mit der Vorlage bereits an die Grenzen gegangen sei und dass in der Substanz keine Änderungen toleriert würden. Für den Fall einer Ablehnung entwarf der Landesfürst ein Bedrohungsszenario («Lehnt das Volk die Regierungsvorlage ab, lässt es sich auf ein Abenteuer ein, von dem niemand sagen kann, wie es ausgeht») und stellte klar, dass es dann nur eine Lösung ohne Fürstenhaus geben würde («Man sucht eine Lösung ohne das Fürstenhaus, ob die nun mit Bill Gates ist, die Re- publik Oberrheintal oder der Anschluss an eines der Nachbarländer»).99 Gleichzeitig verschärfte sich der Ton gegenüber den Kritikern der Verfassungsvorlage. Namentlich Gerard Batliner, der sich in einem Dis- kussionsbeitrag mit der Vorlage auseinandergesetzt und dabei eine Ten- denz zum autoritären Staat festgestellt hatte, wurde vom Landesfürsten im erwähnten Interview persönlich attackiert: «Es wäre sehr viel ehr li- cher, würden sich Dr. Gerard Batliner und seine Anhänger öffentlich zu ihren politischen Zielen bekennen, anstatt zu versuchen, mit Hilfe des Art. 112 in jahrelangen Wühlarbeiten die Monarchie und den demokra- tischen Rechtsstaat aus den Angeln zu heben.» Hier wurde eine Deutung des Konfliktes vorgenommen, die sich bis zur Volksabstimmung im März und danach durchziehen sollte: Die Gegner der Vorlage wurden als Gegner der Monarchie abgestempelt sowie wahlweise als Gegner der Demokratie und Gegner des Rechtsstaates. Der Landesfürst bezeichnete die Exponenten dieses Lagers in der Thronrede vom 7. Februar 2002 als «Persönlichkeiten und Gruppen, die teilweise schon seit Jahrzehnten ein Problem mit unserer Staatsform haben», und stellte sie mit dem Satz, «dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts leider allzu viele Beispiele kennt, bei denen selbst ernannte Demokraten, ohne das Volk zu fragen, Monarchien beseitigt haben, um dann eine Diktatur einzuführen», in die Nähe des Nationalsozialismus. Es sei dem Fürstenhaus nicht möglich, 135 
Akteure, Frames und Kommunikationsstrategien 99Interview im Liechtensteiner Vaterland, 15. Dezember 2001. Die Bill Gates-Anspie- lung hatte er schon bei einem Interview in der Financial Times vom 23. / 24. Sep- tember 1995 formuliert. Es meinte damit, dass im Falle eines Rückzugs des Fürs- tenhauses vielleicht jemand anders, etwa Microsoft-Gründer Bill Gates, angefragt werden könne, ob er Staatsoberhaupt in Liechtenstein werden und dabei die Kosten selbst bezahlen wolle. Den Hinweis auf eine Republik Oberrheintal hatten der Lan- desfürst und der Erbprinz bereits im Begleitschreiben zum «grünen Büchlein» an alle Haushaltungen im März 2001 angebracht.
	        

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