Volltext: Josef Schädler

Josef Schädler - Auswahl von Presseberichten 
Phänomene der Natur 
Ausstellung 3.-11. April 1966 in der Realschule Vaduz = Aus der Vernissagerede von Norbert Haas 
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Die Eröffnung einer Ausstellung, in der ein junger liechten- 
steiner Kunstschaffender seine Werke vor Publikum bringt, ist 
ain keineswegs feierlicher, aber ein durchaus festlicher Anlass. 
Mit Feierlichkeit hat die Kunst unserer Tage recht wenig zu tun. 
Man möchte sich darüber freuen. Man möchte sich freuen, dass 
der Geist eines Jahrhunderts, des sogenannten bürgerlichen 
Jahrhunderts, das Alltag und Kunst in krassen Gegensatz tre- 
ten liess, das in Kunstwerken Erhebung, Erbauung, Heiligung 
zu finden glaubte - langsam aber endgültig sich verflüchtigt. 
Der unselige bürgerliche Dualismus von als glanzlos empfun- 
denem Alltagsleben und musischem Höhenflug, der die jenem 
profanen Leben abgehende Glanz und Glorie schenken sollte, 
weicht der langsam wachsenden Einsicht, dass Kunst nicht mit 
dem Sonntag alleine, sondern mit der Wirklichkeit als Ganzes 
zu tun hat. 
Wie sich diese ganze Wirklichkeit in Josef Schädlers Bildern 
konstituiert - dazu möchte ich heute eine kleine Einführung 
geben. Doch zuvor eine kurze Anmerkung. Ich möchte es nicht 
unterschlagen, dass es mir recht schwer fällt, zu Josef Schäd- 
lers Bildern, wie man das so bezeichnet: Gültiges zu sagen. 
Schädlers Gedanken- und Bilderwelt erscheint mir fremd und 
unzugänglich. Das sagt zunächst nichts über Schädlers Werke. 
Es ist auch eher als captatio benevolentiae gemeint, hat aber 
darüber hinaus die folgende Konsequenz: Das, was sich auf 
der Einladungskarte ambitiös als Einführung gibt, wurde mir 
unter der Hand zur Deskription eines versuchten Zugangs zu 
Josef Schädlers Bildern. Dass eine solche Beschreibung keinen 
kritischen Anspruch erhebt, möchte ich betonen. 
ich möchte aber nicht vom kunstschaffenden Schädler 
sprechen, sondern von seinen Bildern: Nun nicht ins zweite 
Vorurteil, ebenso populäre Vorurteil zu verfallen, das das ers: 
te bedingt: Das Vorurteil nämlich, das Kunstwerke gleichsetzt 
mit deren Entstehungsprozess den biographischen und psy- 
chischen Voraussetzungen. In den Mittelpunkt stellen möchte 
ıch jene Bilder, in denen Schädlers Phänomene der Natur - ich 
möchte sagen: Wesentlich zu erfassen versucht. Sie werden 
ein grossflächiges Ölbild sehen, in dem sich eine kreisende Be- 
wegung ausdrückt - Sie werden ein Ölbild sehen, auf dem eine 
gewölbte krustige Decke von dagegen anwirkenden Kräften 
durchbrochen wird - auf einem anderen Bild werden Sie eine 
bewegte Fläche sehen, auf der Licht sich irisierend bricht, - vor 
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einem weiteren Bild werden Sie den Eindruck von gegensätz: 
lichen, aufeinander einwirkenden Kraftströmen haben. Diese 
ganze Gruppe von Bildern will eines, das ich kurz charakteri- 
sieren möchte. Sie verlangen vom Betrachter eine Folge von 
Konkretionsoperationen, die ich, hinsichtlich des Kreisbildes 
herausstellen möchte. 
Die erste Reaktion angesichts dieses Bildes wird wohl sein, 
dass der Betrachter konkret gegenständlich assoziiert: die Er- 
scheinung eines Zyklons etwa, oder: Wasserwirbel, Strudel, 
etc. Der Betrachter vergleicht das Assoziierte neuerlich mit 
dem Bilde und merkt, dass alle Assoziationen vom Bild bestä- 
tigt werden, aber keine besonders bestätigt wird. 
Das Bild kann einen Zyklon, einen Wasserstrudel, kreisen- 
de Lavamassen oder Ähnliches meinen. Der Betrachter merkt, 
dass das Gemälde ein Phänomen meint, das den genannten 
Einzelerscheinungen zugrunde liegt: Das Phänomen der Kreis- 
bewegung. Die konkret gegenständlich assoziierten Einzeler- 
scheinungen der Natur erweisen sich als abstrakt: als von dem 
zugrunde liegenden Allgemeinen isoliert, abstrahiert. Das Bild 
ist Allgemeines-und Einzelnes zugleich: Es ist konkret. Es er- 
zwingt vom Betrachter eine Redüktion: Weg von den sogenann- 
ten konkreten Einzeldingen und hin zu dem diesen Einzeler- 
scheinungen zugrunde liegenden Allgemeinen, Wesenhaften, 
das aber konkret erst-wird in der einzelnen Erscheinung. 
Schädler versucht in diesen Bildern eine Phänomenologie 
der Natur im Medium der darstellenden Kunst. Da es sich um 
stetig wiederkehrende Phänomene handelt, könnte man auch 
von einer Typologie der Naturerscheinungen sprechen. 
Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass hin- 
ter den Werken Schädlers eine kosmologische Tendenz steht. 
Schädler sucht auf seine Weise nach Gesetzen, Entsprechungen, 
Analogien, die im ganzen Bereich des Wirklichen sich ausprä- 
gen, im natürlichen wie im menschlichen Bereich. Sein Zugriff 
ist neu. Es wäre nicht der schlechteste Beweis für die Berech- 
tigung seines Schaffens, wenn es auf artikulierte Gegenrede 
stossen würde. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, 
bei Ihrem Rundgang, in Ihrer Auseinandersetzung mit Schäd- 
lers Bildern recht viele Entdeckungen.
	        

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