Liechtenstein und die europäische Integration Referat vor dem Landesausschuss der FBP im Haus Stein-Egerta in Schaan am 25. April
1988 I. Zweite Szene Wien 1919. Wir fangen mit der zweiten Szene an und kommen nachher zur ersten. Minister Charles-Daniel Bourcart, schweizerischer Gesand- ter in Wien, ist beauftragt, Gesetzestexte und Informationen für einen allfälligen Zollvertrag Schweiz–Liechtenstein zu beschaffen. In einem langen Brief vom 23. Mai 1919 an das Politische Departement (das Aus- senministerium) legt er dar, dass Liechtenstein, einmal in das Gravita - tionsfeld der Schweiz eingetreten, letztlich im schweizerischen Staatswe- sen aufgehen
werde. Erste Szene Rund siebzig Jahre vorher. Frankfurt 1848/49. Deutsche Revolution. Die Nationalversammlung tagt mit dem Ziel, die deutsche Einigung her- beizuführen. Der liechtensteinische Abgeordnete Peter Kaiser mar- schiert im feierlichen Zug zur Eröffnungssitzung mit. Doch die anfäng- liche Begeisterung des «grossdeutschen Patrioten» Peter Kaiser und seine Hoffnung auf eine Erweiterung des kleinen liechtensteinischen Marktes werden bald enttäuscht. Es war vorauszusehen, dass eine natio- nale Einigung noch grössere Lasten für Liechtenstein bringen würde. Und es wurde, im Kampf gegen die «Kleinstaaterei», die Einverleibung in grössere Staaten beantragt, mit anderen Worten deren Mediatisierung. Während die mittleren und grösseren deutschen Staaten weiter existieren sollten, hätte Liechtenstein sich nicht mehr direkt beteiligen können, wäre ohne eigene Stimme durch Österreich vertreten gewesen, wäre in 75