Volltext: Was will Liechtenstein sein?

(ii) 
Liechtenstein ausserhalb der EU, von der Faszination und vom We- senhaften des anderen Europa. Die Liechtensteiner seien selbständig ge- blieben, hätten sich weder der Schweiz noch Österreich angeschlossen und seien auch nicht Mitglied der EU geworden. Da die Schweiz und Österreich Mitglieder der EU sind, befindet sich Liechtenstein gleich- sam in neuer «Randlage». Nicht nur: Um das Draussenbleiben zu minimieren und im Effekt zum Teil überhaupt aufzuheben und den Zugang zum Markt der EU zu sichern, habe Liechtenstein bilaterale Verträge mit der EU abgeschlossen. Eben- falls, um in der komplexer gewordenen Welt mit dem eigenen «Mangel an Stoff und Kraft» durchzukommen, und dennoch geordnete Verhältnisse und normale Standards und Leistungen zu sichern, habe Liechtenstein verschiedene Staatsaufgaben, die nicht zum unverzichtbaren Kern gehö- ren, mittels Verwaltungszession bilateral an die Schweiz, teils auch an Österreich ausgelagert (nicht nur im Bildungs- und Gesundheits wesen). Gleichzeitig verkörpert Liechtenstein zusammen mit den anderen Staaten in Europa, die nicht zur EU gehören, (im Kleinstmassstab) etwas vom anderen Europa. Zu Europa gehört das «hen kai pan» (Hans-Urs von Balthasar), die vielen Einzelnen und das Ganze. Die EU ist stark dem Ganzen verpflichtet. Die anderen sind irgendwie die Träger des an- deren Europa, der Alternative. Auch ihre Werte sind Friede und Sicher- heit, nicht dagegen eine vom Mittel zum Zweck gewordene Wirtschaft oder die Einheit einer «Festung Europa». Ein schlankeres Europa er- scheint ihnen als ebenso gültige Existenzform. Dazu schreibt Timothy Garton Ash, in seinem Werk «Zeit der Freiheit», München 1999, S. 351: «Die jüngste Epoche europäischer Geschichte bietet uns keinen Hinweis darauf, dass die ungeheuer vielfältigen Völker Europas, die so verschiedene Sprachen sprechen, so unterschiedliche Ge- schichten, Geographien, Kulturen und Volkswirtschaften aufwei- sen, dazu bereit sind, friedlich und freiwillig in eine einzige 
poliszu verschmelzen. Die Epoche ist sogar reich an Belegen für eine ent- gegen gesetzte Tendenz: hin zur Errichtung – oder Wiedererrich- tung – der Nationalstaaten. Wenn eine kleine Anzahl westeuropäi- scher Staaten mit starken Elementen einer gemeinsamen Ge- schichte und unter den paradoxerweise günstigen Rahmenbedin- gungen des Kalten Krieges keine ‹Einheit› erreicht haben, wie kön- 193 
Unser Staat
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.