Volltext: Was will Liechtenstein sein?

alten Vorbehalte wieder beim Europarat. Es brauchte über zehn Jahre grosser Anstrengungen bis zum Eintritt 1978. Als ich, nach sorgfältigen Vorbereitungen, 1969 zur Unterzeichnung einiger Konventionen des Europarates nach Strassburg kam, erklärte der uns gewogene österrei- chische Generalsekretär Tonc̆icim Namen des Ministerkomitees: Bei- tritt zu Einzelkonventionen ja, Mitgliedschaft beim Europarat nein. Un- ter wechselnden politischen Mehrheiten in Liechtenstein und unter ein- drücklichem parteipolitischem Zusammenhalt in dieser Frage (FBP- Mehrheit bis 1970, VU-Regierung Hilbe bis 1974, FPB-Regierung Kie- ber bis 1978, dann VU-Regierung) machte Liechtenstein unbeirrt, inten- siv und ununterbrochen weiter, bis im Herbst 1978 Regierungschef Brunhart (15 Jahre nach der Schweiz) die liechtensteinische Beitrittsur- kunde hinterlegen konnte. Eine südchinesische Zeitung hatte damals das Hauptproblem für den Europarat (dessen kleinstes Mitglied Luxemburg war) auf den Punkt gebracht, wonach dieser sich mit einem so kleinen Land «lächerlich» («laughable») machen würde. Wir sagten stets: Wir sind ein Staat. Ein alter Staat. Und wollen es bleiben. Wollen die volle Mitgliedschaft wie die anderen. Schliesslich hat der Europarat uns ernst genommen, weil wir uns ernst genommen haben. Das Wort «laughable» ist verschwunden. Beitritte auch zu anderen Organisationen sind erfolgt. Wir sind nicht ungeachtet und – gestatten Sie das hiefür ungewohnte Wort – nicht unbeliebt. Sind irgendwie arriviert. Nun beginnen die Zweifel zuhause. Können wir im Integrations- prozess noch mithalten? Sollten wir nicht aussteigen? Ein grössenver- trägliches Sonderverhältnis suchen? Liechtenstein ist «ein grössenwahn- sinniges Dorf, das Staat spielt», erklärte ein hiesiger Rechtsanwalt im Magazin 
Der Spiegel. «Liechtenstein ein Witz der Geschichte», sagte uns neulich ein Liechtensteiner mit Diplom. Für diesen Witz der Geschichte wären noch vor kurzem – im Zweiten Weltkrieg – Liechtensteiner not- falls ins KZ gegangen. Und ohne den Willen unserer Vorfahren zum Staat müssten wir uns über diesen heute nicht mehr den Kopf zerbre- chen.Das Problem der Grössenverträglichkeit für die Zukunft ist damit nicht ausgeräumt. Wer hat nicht seine Fragen! Gelangen wir nicht bald an die Grenzen unserer Grösse? Aber wenn wir zu klein sind, mitzuma- chen, sind wir dann nicht viel mehr zu klein für einen Alleingang, wenn schon eine Schweiz sich vor einem solchen ängstigt? Denn ein von allen anderen unterschiedener Gang wäre es, auch wenn wir irgendeinen An- 150Texte 
aus dem Nachlass von Gerard Batliner
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.