Volltext: Was will Liechtenstein sein?

ten». Die Schweiz spricht von 14000 Seiten (im EG-Amtsblatt). Mir er- scheint der liechtensteinische «Umrechnungskurs» etwas hoch. Doch da liegt nicht das Problem. Das Problem ist, ob die Normenübernahme «im Gegensatz zur Aufrechterhaltung der kleinstaatlichen Selbstbestimmung und Identität» steht und ob Liechtenstein als Kleinstaat der Rechtsset- zungsdynamik der EG standhalten kann. Die Masse des Rechtsstoffes ist zweifellos enorm. In materieller Hinsicht ist die Überraschung der Schweizer ParIamentarier bei der Be- handlung der sogenannten Eurolex zu bedenken, dass das «Recht des EWR [...] unserem Recht eben nicht fremd» ist und dass den Rechtsord- nungen «dieselbe Werteordnung» zugrundeliegt und dass das schweize- rische Recht «bereits heute über weite Strecken europakompatibel» ist. Wir Liechtensteiner haben immer schon mit fremdem Recht gelebt, etwa in den fundamentalen Lebensbereichen des bürgerlichen Rechts (Öster- reichisches ABGB) oder des Strafrechts (StGB) und der entsprechenden Prozessrechte. Seit dem Zollvertrag haben abertausende Seiten schweize- rischer Normen automatisch auch in Liechtenstein gegolten, ohne dass unser Land vorher angehört, ja ohne dass es von der Schweiz überhaupt rechtzeitig informiert worden wäre – eine Praxis, der neulich dank der für uns günstigeren europäischen Standards gegenüber der Schweiz ein Ende gesetzt wurde. Im Bereich des Europarechts wäre eine solche Pra- xis ohne vorheriges Anhören auch Liechtensteins nicht möglich. Der Rechtsstoff ist weitgehend technischer Natur, doch nicht ohne Auswüchse. So wäre es meines Erachtens nicht nötig, europaweit die Länge der Kondome zu regeln, sollte aber unserer Identität letztlich nichts anhaben. Indessen bin ich froh, dass die Stossstangen der Autos dieselbe Höhe haben und dass ich meinen Rasierer im Hotelzimmer in Dänemark und in Italien anstecken kann. Wer von Ihnen ist sich be- wusst, dass unser heute geltendes und vom Ausland abgeschriebenes Strassenverkehrsrecht über 1500 teils dicht bedruckte Seiten Text hat, davon 400 Seiten Abgasnormen? Bei Regelungen technischer Art ist es – so Bundesrat Arnold Koller – durchaus sinnvoll, dass wir in unseren Ländern die gleichen statt 19mal fast die gleichen Normen haben. Der allergrösste Teil des zu übernehmenden Rechts betrifft den Warenver- kehr, ersetzt also Zollvertragsmaterie, so dass wir gewissermassen (kol- lektive) «Souveränität» zurückgewinnen. Daneben aber gibt es sensible und wichtige Bereiche, die in letzter Zeit ausgiebig diskutiert wurden und auf die ich jetzt kurz zu sprechen komme. 140Texte 
aus dem Nachlass von Gerard Batliner
	        

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