Volltext: Was will Liechtenstein sein?

verträge zur Unterinstanz und bedeutet in der Auswirkung eine Weg- nahme von Verantwortung vom 
Landtag. Sie sagten, dass die Vorlage auch weiter gehe, als dies bei Verfassungsän- derungen möglich ist, weil die Vorlage für Staatsverträge die Möglichkeit einer Dringlicherklärung nicht vorsieht. Ist der Ausschluss einer mög - lichen Dringlicherklärung nicht gerade eine konsequente Massnahme im Sinne der Basis-Demokratie? Zunächst sei betont: die jetzt geltende Lösung schliesst ja eine starke, öffentliche Diskussion nicht aus. Sie wird inskünftig, das ist ausseror- dentlich erfreulich, sicher mehr als bisher Platz greifen und Einfluss neh- men. Aber: die Vorlage bringt, nebst dem schon Gesagten, etwas völlig Neu- und Andersartiges in unser bisheriges Verfassungssystem, weil der Landtag gemäss der Abstimmungsvorlage in den einschlägigen aussen- politischen Fragen ein Referendum nicht durch einen Dringlichkeits - beschluss ausschalten kann. Damit wird aber, ich würde sagen, die äusserste Grenze unseres bestehenden liechtensteinischen Systems überschritten und ein anderes System gewählt. Bei den anvisierten Staatsverträgen ist automatisch und unausweichlich die Möglichkeit des Referendums gegeben, und auch im Falle äusserster Not oder Bedro- hung kann der Landtag nicht, wie dies bei sämtlichen Verfassungsände- rungen oder Gesetzesbeschlüssen nach unserer Verfassung möglich ist, einen Staatsvertrag für dringlich erklären. Diese Möglichkeit der Dring- licherklärung hat uns immer vom monistischen republikanischen Schweizer System unterschieden. Diese Möglichkeit soll inskünftig auch in Liechtenstein bei Staatsverträgen nicht gegeben sein. Dabei ist ein sehr kleiner Staat naturgemäss schwach, und die Möglichkeit, auf Notsitua- tionen aussen- wie innenpolitisch entsprechend wirksam reagieren zu können, ist für das liechtensteinische System charakteristisch wie le- benswichtig. Ein Beispiel aus der nicht fernen Geschichte, an das sich unsere Älteren noch erinnern: 1939, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, hat der Landtag nach zwei anders lautenden Volksabstimmungen von 1930 und 1935 einstimmig die Verfassung geändert und das Proporz- wahlsystem eingeführt, und er hat diese Verfassungsänderung als dring- lich erklärt und sie damit einem möglichen Referendum entzogen. Es wird im Rückblick nicht bezweifelt, dass diese mutige Aktion zusam- 108Texte 
aus dem Nachlass von Gerard Batliner
	        

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