Die Skizzenbücher Egon Rheinbergers
Wer einen Künstler verstehen will, muss seine Skizzen und Ent-
würfe studieren. Diese sind in der Regel zwar weniger perfekt als
die endgültigen Werke, aber authentischer und meist aussage-
kräftiger. Dies zeigt sich auch im Werk von Egon Rheinberger.
Zu Beginn seines gestalterischen Schaffensprozesses steht bei Egon
Rheinberger meist die Skizze. Sie dient ihm zur Darstellung seiner
{deen und zum Festhalten gewonnener Eindrücke. Die Ausarbei-
tungsstadien der einzelnen Zeichnungen differieren innerhalb der
Skizzenbücher sehr. Sie reichen von schnell skizziert und ange-
deutet bis hin zu exakten Konstruktionszeichnungen mit Mass-
angaben, die nur auf eine spätere Ausführung zu warten scheinen.
Diese Konstruktionszeichnungen finden sich in erster Linie bei
Darstellungen von Architekturelementen und Gebrauchshand-
werk (Tische, Stühle, Leuchter) wieder.
Die Skizzenbücher Egon Rheinbergers vermitteln den Eindruck,
dass sie ihm in erster Linie als Sammelort für seine verschieden-
artigen Entwürfe dienten. Viele der noch erhaltenen Skizzenbü-
cher sind während seiner Ausbildungsphase in München (1886-
1896) entstanden. Sie scheinen seine stetigen Begleiter gewesen
zu sein - egal, ob er durch München wanderte oder sich auf Rei-
sen befand. Das ständige Zeichnen half ihm, sein Sehen und seine
Hand zu schulen. Ebenso konnten die Zeichnungen später als
Gedächtnisstütze fungieren.
Ein Grossteil der Zeichnungen, die Rheinberger von seinen Erkun-
dungstouren mitbrachte, weist einen engen thematischen Zusam:
menhang auf. Sie befassen sich mit den verschiedenen Lebensbe:
reichen des Mittelalters. Architektonische Zeichnungen zeigen bei-
spielsweise mittelalterliche Stadtansichten, Häuserwinkel, Burgen
oder Detaillösungen wie gotisches Masswerk, Erker, Giebel und
Balkenkonstruktionen. Gerade die Bevorzugung von baulichen
Motiven des Mittelalters lässt den Architekten in ihm erkennen,
der sich ernsthaft mit der Beschaffenheit eines Altbaues ausei-
nandersetzte. Es sind stets subtil ausgeführte Arbeiten. Auch
Abbildungen von mittelalterlichen Alltagsgegenständen sind in
beachtlicher Zahl vertreten. Sie dürften vor allem in den verschie-
denen Museen entstanden sein, die er besuchte. Als Beispiele seien
hier das Bayerische Nationalmuseum in München und das Ger-
manische Nationalmuseum in Nürnberg genannt. Beide Museen
sind Gründungen des 19. Jahrhunderts und weisen bedeutende
Sammlungen, speziell im Bereich der deutschen Kunst- und Kul-
Ar
Die Skizzenbücher Eaon Rheinberaers
Nicole D. Ohneberg