Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

mungen der Art. 41–51 KO seien zum Zeitpunkt der Erlassung sachlich gerechtfertigt gewesen, qualifiziert diese Bestimmungen im Zeitpunkt der Überprüfung aus grundrechtlicher Sicht als nicht unbedenkliche Ge- setzeslage, verzichtet aber darauf, sie aufzuheben. Es handelt es sich hier also um eine 
Appellentscheidung. Der Staatsgerichtshof erklärt in StGH 1995/20: «Der StGH kann sich […] auf eine durchaus gefestigte Praxis sogenannter Appellentscheidungen abstützen.»75Er hält in der Vergan- genheit wiederholt gesetzliche Regelungen für verfassungswidrig, ver- zichtet aber auf ihre Aufhebung.76Gegen die scheinbar «gefestigte Pra- xis» des Staatsgerichtshofes ist einzuwenden, dass dem Staatsgerichtshof dazu jede gesetzliche Grundlage fehlt. Der Staatsgerichtshof hat für das alte Staatsgerichtshofgesetz77«stillschweigend eine sogenannte rechtspo- litische Lücke bzw [beziehungsweise] eine planwidrige Unvollständig- keit im StGHG»78angenommen. Da sich auch im neuen Staatsgerichts- hofgesetz79keine Bestimmung findet, die es dem Staatsgerichtshof er- laubte, Appellentscheidungen zu erlassen, ist meines Erachtens von ei- nem 
beredten Schweigendes Gesetzgebers auszugehen, so dass der Staatsgerichtshof seine Rechtsprechung daran auszurichten hat. Wenn der Staatsgerichtshof also – wie beispielsweise in StGH 1993/3 – zum Ergebnis gelangt, die Bestimmungen Art.45-51 KO seien willkürlich, muss er sie aufheben. Im entgegengesetzten Fall ist die Beschwerde ab- zuweisen. Eine Appellentscheidung ist keine verfassungsmässig vorgese- hene Entscheidungsvariante.80 Die Haltung des Staatsgerichtshofes widerspricht auch seiner früheren Position. In StGH 1981/14 hatte er es noch abgelehnt, eine (un- echte) Gesetzeslücke des Staatsgerichtshofgesetzes anzunehmen und 97 
Subsumtionsformeln 75StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, S. 30 (38). 76Vgl. StGH 1989/15, Urteil vom 31. Mai 1990, LES 1990, S. 135 (141); StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, S. 30 (38). Siehe auch Höfling, Verfassungsbe- schwerde, S. 194 ff; Wille H., Normenkontrolle, S.63 ff. und S.314 ff.; Wille H., Ver- fassungsgerichtsbarkeit, S. 50 f.; Wille T., S. 74 f. 77Gesetz vom 5. November 1925 über den Staatsgerichtshof, LGBl. 1925 Nr. 8. 78StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, S. 30 (38). 79Gesetz vom 27. November 2003 über den Staatsgerichtshof, LGBl. 2004 Nr. 32 i. d. g. F. 80Vgl. auch Wille T., S. 74 f. Kritisch zur «ständigen» Rechtsprechung des Staatsge- richtshofes – schon zum alten Staatsgerichtshofgesetz – äussert sich auch Wille H., Normenkontrolle, S. 314 ff. sowie Höfling, Verfassungsbeschwerde, S.194 ff. Eine andere Meinung vertritt dagegen Hoch, Arbeitspapier, S.11.
	        

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