Auf der ersten Prüfungsebene wird abgeklärt, ob die vom Gesetz- geber vorgenommene Abgrenzung der Normadressaten dem Norm- zweck gerecht wird. Der Gesetzgeber verletzt den Gleichbehandlungs- grundsatz, wenn er – im Hinblick auf den Regelungszweck – irrelevante Tatbestandsmerkmale mitberücksichtigt beziehungsweise relevante Merkmale missachtet. Der Adressatenkreis kann im Gesetz zu eng re- spektive zu weit gefasst worden sein. Im ersten Fall liegt eine ungerecht- fertigte Ungleichbehandlung vor, im zweiten Fall eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung.14 Wenn der Adressatenkreis dem Gesetzeszweck entspricht, wird auf einer zweiten Ebene geprüft, ob der Zweck
die grundlegenden Wertun- gen der Rechts- und Staatsordnungrespektiert. Das heisst, es wird der Regelungszweck am Massstab der geltenden Verfassungsordnung und der Gerechtigkeit beurteilt. Den Regelungszweck zu erkennen und diesen anschliessend im Hinblick auf die geltende Verfassungsordnung und die Gerechtigkeit zu bewerten, ist oft sehr schwierig.15 Ob nun die Regelung selbst oder nur ihr Zweck am Massstab der Gerechtigkeit gemessen wird, spielt im Ergebnis eine untergeordnete Rolle. Die österreichische Lehre betont die Bedeutung, die der Auswahl der zu vergleichenden Regelungen zukommt. Sie geht bei der Gesetzes - prüfung am allgemeinen Gleichheitssatz von einem dreistufigen Prü- fungsschema aus. Sie stellt dem aufgezeigten zweistufigen Prüfungsvor- gang noch einen Prüfungsschritt voran, indem zuerst die miteinander zu vergleichenden Regelungen festgelegt werden. Die auf ihre Gleichheits- konformität hin zu prüfende Rechtsnorm muss mit jenen Normen ver - glichen werden, die eine (erhebliche) Ungleichheit im Rechtssinn auch erkennen lassen.1673
Prüfungssystem 14Vgl. Weber-Dürler, Rechtsgleichheit, Diss., S. 66 ff. Müller G., Art. 4 aBV, Rz 31 f. mit Hinweisen zur Lehre. Zur Systemgerechtigkeit im Verhältnis verschiedener Ordnungssysteme vergleiche auch Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 19 ff. und S. 49 ff. 15Vgl. Weber-Dürler, Rechtsgleichheit, Diss., S. 100 ff.; Weber-Dürler, Gleichheit, Rz 14 f. mit zahlreichen Literaturnachweisen; Müller G., Art. 4 aBV, Rz 32. 16Dieser Prüfungsschritt (die Bedeutung der Auswahl der zu vergleichenden Rege- lungen) wird bei der Anwendung des oben dargestellten zweistufigen Prüfungs- schemas dem ersten Prüfungsschritt ebenfalls implizit zugrunde gelegt.