Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

Damit hängt der Prüfungsumfang entscheidend davon ab, wie der Staatsgerichtshof die einzelnen spezifischen Grundrechte interpretiert.87 Je nachdem, ob er eine Rechtsposition dem sachlichen Gewährleistungs- bereich eines Grundrechtes zuordnet, findet eine weitergehende bezie- hungsweise weniger weitgehende Überprüfung der letztinstanzlichen fachgerichtlichen Entscheidungen statt. Gleichzeitig gilt, dass bei exten- siver Grundrechtsauslegung durch den Staatsgerichtshof die Fach - gerichte das von ihnen anzuwendende Recht zunehmend vom Staats - gerichtshof anstatt vom Gesetzgeber erhalten.88Mit einer (zu) extensi- ven Grundrechtsauslegung ist auch eine Abwertung der Fachgerichts- barkeit verbunden. Denn eine (zu) umfassende Überprüfung der fachge- richtlichen Rechtsanwendung und Rechtsauslegung führt «de facto zu einer Aushöhlung der Rechtskraft fachgerichtlicher Entscheidun- gen»89.90 Die Fachgerichte haben die Gesetze im Rahmen der Verfassung auszule- gen und anzuwenden. Durch eine qualifiziert falsche Anwendung bezie- hungsweise qualifiziert falsche Auslegung von einfachem Recht werden solche (krassen) einfachrechtlichen Fehler auf die Ebene einer Grund- rechtsverletzung (Verstoss gegen das Willkürverbot) gehoben. Die Kon- trolle von Grundrechtsverletzungen fällt in die Kompetenz des Staatsge- richtshofes, der solche fachgerichtlichen Entscheidungen wegen Verlet- zung des Willkürverbotes aufzuheben hat. Das bedeutet auch, dass der Staatsgerichtshof die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts 452Besonderheiten 
der Willkür beschwerde als Individualbeschwerde 87Vgl. für Deutschland auch Starck, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1035; Stern, Be- merkungen, S. 381 ff.; Ossenbühl, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 138 ff. Für die Schweiz siehe Kälin, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 44 ff. Der Staatsgerichtshof in- terpretiert meines Erachtens den sachlichen Gewährleistungsbereich von einigen spezifischen Grundrechten zu extensiv. Deshalb muss er diese weiten Grundrechts- interpretationen durch eine problematische Begrenzung des Prüfungsumfanges auf funktionell-rechtlicher Ebene wieder korrigieren. Vgl. dazu S. 390 ff. Die materielle Grundrechtsinterpretation hat ebenso Einfluss auf die Kontrolldichte bei der Auf- gabenabgrenzung von Staatsgerichtshof und Gesetzgeber. Vgl. dazu Korinek, Ver- fassungsgerichtsbarkeit, S.45 ff. Vgl. dazu auch S. 107 ff. 88Vgl. Wille T., S. 53 f. Für Deutschland siehe Korioth, S. 55; Starck, Verfassungsge- richtsbarkeit, S. 1035; Schenke, S. 54. 89Schenke, S. 57. 90Vgl. dazu Wille T., S. 53 f. Für Deutschland siehe Schenke, S. 57.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.