Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

Das heisst, für die Auslegung und Anwendung von einfachem Recht sind grundsätzlich die Fachgerichte zuständig. Auch Zweifelsfra- gen des einfachen Rechts müssen im Instanzenzug durch die ordent - lichen Gerichte entschieden werden.85Der Staatsgerichtshof schreitet erst ein, wenn durch die fachgerichtliche Rechtsauslegung und Rechts- anwendung Grundrechte verletzt werden. Eine solche Grundrechtsver- letzung liegt zum einen darin, dass die Fachgerichte spezifische Grund- rechte in einem konkreten Fall nicht berücksichtigen, obwohl diese dort einschlägig wären. Eine Grundrechtsverletzung ist aber zum anderen auch darin zu sehen, dass die Fachgerichte spezifische Grundrechte zwar auf einen konkreten Fall anwenden, jedoch den materiellen Gehalt der anzuwendenden Grundrechte (insbesondere deren Schutzbereiche) falsch interpretieren.86451 
Funktionell-rechtliche Abgrenzung des Staatsgerichtshofes von den Fachgerichten Gesetze und Verordnungen durch die in richterlicher Unabhängigkeit entscheidende letzte Instanz allein ist eine Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte nicht zu erblicken, sofern nicht entweder als verfassungs- oder gesetzeswidrig er- kannte Normen angewendet oder im Fall der Überprüfung auf Willkür eine qualifi- ziert unsachliche Rechtsanwendung, die einer Verletzung des Gleichheitsgebots gleichkäme, erweislich wäre oder aber ein vom Willkürverbot verschiedenes ande- res verfassungsmässig gewährleistetes Recht durch die rechtsanwendende Behörde verletzt wird. Ohne diese speziellen Voraussetzungen kann demnach eine weitere in- stanzenmässige Sach- und Rechtsprüfung mit Verfassungsbeschwerde nicht erwirkt werden (Zusammenfassung der stRsp des StGH in StGH 1992/10 und 11 in LES 1993, 3 und StGH 1991/6 in LES 1992,3 mit weiteren Hinweisen).» In der älteren Rechtsprechung verwendet der Staatsgerichtshof aber auch «verkürzte» Formulie- rungen, die darauf schliessen lassen, dass er die fachgerichtliche Rechtsanwendung und Rechtsauslegung ausschliesslich am Willkürverbot misst. Vgl. hierzu beispiels- weise StGH 1994/16, Urteil vom 11. Dezember 1995, LES 1996, S. 49 (54 f.), wo es heisst: «Der StGH erkennt in ständiger gefestigter Rsp [Rechtsprechung] […] Be- schwerden gegen letztinstanzliche, hier verwaltungsgerichtliche Entscheidungen nur gerechtfertigt, sofern ein verfassungswidriges Gesetz oder eine gesetzwidrige Verordnung zugrundegelegt, oder eine so willkürliche Rechtsanwendung erweislich wäre, die einer Verletzung von Art 31 der Verfassung gleichkäme. Liegt keiner die- ser Gründe einer Verfassungsverletzung vor, kann mit Verfassungsbeschwerde keine zusätzliche, volle instanzenmässige Prüfung und Sachentscheidung erlangt werden.» Zur älteren Rechtsprechung siehe Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 167 ff.; Kley, Beziehungen, S. 47 mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen. 85Der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof entscheiden insoweit letztinstanzlich, verbindlich über die Auslegung von einfachgesetzlichen Regelun- gen. Vgl. für Deutschland Alleweldt, S. 173 ff. und S. 280 ff. 86Vgl. Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 180 f. Für Deutschland siehe Schlaich/ Korioth, Rz 288 ff.
	        

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