Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

I. IDEENGESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG Die ideengeschichtlichen Wurzeln des Willkürverbots gehen auf das Widerstandsrecht zurück.1Der Gedanke, dass die Menschen das Recht haben, sich gegen die Willkürherrschaft aufzulehnen und diese – gege - benenfalls auch mit illegalen Mitteln – zu bekämpfen, zieht sich durch die ganze Geschichte.2So wurde schon in der griechischen Antike «eine sittliche Pflicht zum Widerstand gegen die Tyrannis vertreten.»3Im Mit- telalter wurde das Widerstandsrecht dann zu einem Rechtsinstitut ausge- bildet.4Im germanischen Rechts- und Kulturkreis bestand zwischen dem Untertan und dem Herrscher ein wechselseitiges Treueverhältnis, wo- nach Herrscher und Untertan gleichermassen dem Recht verpflichtet waren.5Das heisst, der König hatte «die hergebrachten Rechte zu be - wahren und zu schützen, und erst die Innehaltung dieser Treuefunktion mache ihn zum König»6. Ein legitimer Herrscher anerkennt die alther - gebrachten Rechte des Volkes und stellt sich nicht gegen das Recht. Missachtet er aber die althergebrachten Rechte, bedeutet das eine Willkürherrschaft, gegen die das Widerstandsrecht ausgeübt werden 45 
1Vgl. Huber H., Sinnzusammenhang, S. 127 ff.; Müller G., Art. 4 aBV, Rz 48; Thürer, Willkürverbot, S. 430; Uhlmann, S. 188 ff.; Rouiller, Rz 1 f; Vgl. Imboden, S.145 ff. 2Das Recht zum Widerstand gegen die Tyrannenherrschaft beziehungsweise das Thema des Tyrannenmordes wird auch in der Literatur immer wieder aufgegriffen. Ein bekanntes Beispiel ist Schillers Drama «Wilhelm Tell», wo Werner Stauffacher sagt: «Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht: | Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, | Wenn unerträglich wird die Last – greift er | Hinauf getrosten Mutes in den Himmel, | Und holt herunter seine ewgen Rechte, | Die droben hangen un- veräusserlich | Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst – | Der alte Urstand der Na- tur kehrt wieder, | Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht – | Zum letzten Mit- tel, wenn kein andres mehr | Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – | Der Gü- ter höchstes dürfen wir verteidgen | gegen Gewalt [...]» Schiller, Wilhelm Tell, in: Schillers Werke – In zehn Bänden, hrsg. von Ernst Jenny, Band 6, Basel 1946, S. 54 3Vgl. Kley, Rechtsstaat, Rz 4. Zur historischen Entwicklung des Widerstandsrechts vergleiche Stern, Staatsrecht Band II, S. 1488 ff. 4Vgl. Kley, Rechtsstaat, Rz 4. 5Vgl. Kley, Rechtsstaat, Rz 4; Stern, Staatsrecht Band II, S. 1488 ff. 6Huber H., Sinnzusammenhang, S. 127 mit Verweis auf Henry Bracton, De legibus et consuetudinibus Angliae.
	        

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