Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

2.Gemässigter Rechtspositivismus a)Dogmatische Neupositionierung Zu Beginn der achtziger Jahre hat der Staatsgerichtshof den strengen Rechtspositivismus «kelsenscher Prägung» allmählich aufgegeben und sich einem aufgeklärten, wertorientierten Interpretationspositivismus zugewandt.68Insbesondere unter dem Einfluss der EMRK, – die für zahlreiche Grundrechte materielle Eingriffsschranken vorsieht, – ent- wickelte er für die Prüfung der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen die Kriterien des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit, wiederum aufgegliedert nach Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zu- mutbarkeit. Unantastbar bleibt der Kerngehalt eines Grundrechtes.69Die Ausrichtung der Rechtsprechung hin zu einem modernen Interpretati- onspositivismus zeigte sich auch darin, dass der Staatsgerichtshof be- gann, neuen Gefährdungslagen für Menschen durch extensive Ausle- gungen der bestehenden Verfassungsartikel, insbesondere des Art.31 Abs. 1 LV, Rechnung zu tragen. In diesem Sinne hat er in StGH 1984/14 festgehalten, die Umschreibung der verfassungsmässig gewährleisteten Rechte sei regelmässig bewusst so flexibel gehalten, dass sich eine Aus- legung aufdränge, die es gestatte, allen wesentlichen Schutzbedürfnissen von Verfassungswesentlichkeit gerecht zu werden.70 Der Staatsgerichtshof hat in «schöpferischer» Rechtsprechung neue Grundrechtspositionen entwickelt und diese «Konkretisierungen» gegenüber den ursprünglichen, geschriebenen Verfassungsbestimmun- gen verselbständigt.71Parallel zur Rechtsprechung vollzog sich die Ent- 332Willkürverbot 
als ungeschriebenes Grundrecht 68Vgl. dazu Höfling, Bauelemente, S. 356 ff.; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 21 ff.; Höfling, Gewährleistung, S. 85ff.; Frick, Gewährleistung, S.4f., S. 188 f. und S. 221; Frick, Schranken, S. 109; Hoch, Schwerpunkte, S. 71 ff.; Hoch Verfahrensgarantien, S. 106 f. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes betreffend die Verfahrensgrundrechte siehe Hoch, Verfahrensgarantien, S. 106 f., siehe dazu auch S. 403 ff. 69Vgl. dazu Frick, Gewährleistung, S. 42, S. 210 ff., S. 265 ff. (öffentliches Interesse), S. 280 ff. (Verhältnismässigkeitsgrundsatz) und S. 294 ff. (Kerngehaltsgarantie); siehe auch Höfling, Grundrechtsordnung, S.25 f. 70Vgl. StGH 1984/14, Urteil vom 28. Mai 1986, LES 1987, S. 36 (38). Siehe auch Höf- ling, Grundrechtsordnung, S.24 f. 71Vgl. dazu Kley, Kommentar, S. 257 f.; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 24 f. Zur Rechtsprechung des Bundesgerichts siehe Müller J. P., Elemente, S. 23 ff.
	        

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