Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

Das Gewohnheitsrecht zeichnet sich durch die zwei Merkmale aus: die «regelmässige lang dauernde (ununterbrochene) Übung» (consuetudo), sowie die «Rechtsüberzeugung der Betroffenen» (opinio juris).53 Das Erfordernis der «lang dauernden Übung» (consuetudo) für die Bildung von Gewohnheitsrecht im öffentlichen Recht wird in der Staats- und Verwaltungsrechtslehre kontrovers diskutiert.54 Das zweite Kriterium ist die Überzeugung der Rechtsgemein- schaft, dass eine Regel geltendes 
(Verfassungs-)Recht darstellt. Die Rechtsüberzeugung (opinio juris) muss sich auch darauf beziehen, dass der gewohnheitsrechtlichen Regelung der Rang von Verfassungsrecht zukommt.55Sie muss sowohl bei den rechtsanwendenden Behörden als auch bei den rechtsunterworfenen Privatpersonen vorliegen.56 Es wird in der Lehre auch die Meinung vertreten, Gewohnheits- recht im öffentlichen Recht könne sich nur bei Vorliegen von Gesetzes- lücken herausbilden und dürfe das geschriebene Recht nicht durchbre- chen.57Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden, denn dem Ge- wohnheitsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass die Rechtsgemeinschaft (der Souverän) dazu befugt ist – neben den Rechtsetzungsorganen (v. a. dem Parlament) –, selbst Recht zu setzen.58Diese Rechtsetzungsbefugnis ist umfassend und kann nicht auf bestimmte Sachbereiche (Gesetzes- lücken) beschränkt werden. Richtigerweise ist also auch Gewohnheits- recht – und damit ungeschriebenes Verfassungsrecht – contra legem und contra constitutionem möglich.59Gewohnheitsrechtliche Verfassungs- 328Willkürverbot 
als ungeschriebenes Grundrecht 53Vgl. Kley, Grundriss, S. 74 f. Siehe auch Frick, Gewährleistung, S. 244. 54Andreas Kley fordert eine «regelmässige lange und ununterbrochene Übung» für die Bildung von Gewohnheitsrecht. Vgl. Kley, Grundriss, S. 74. Siehe ebenso Häfe- lin/Haller, Rz 12; Häfelin/Müller/Uhlmann, Rz 196 ff. Ablehnend dagegen Wolff, S. 438 ff.; kritisch im Hinblick auf die Anerkennung ungeschriebener Grundrechte auch Müller J. P., Elemente, S. 26. 55Vgl. Wolff, S. 446 ff. 56Vgl. Kley, Grundriss, S. 74 f. 57Vgl. Kley, Grundriss, S. 74 f. mit Literaturhinweisen sowie wohl auch Frick, Ge- währleistung, S. 244 mit Literaturhinweisen. Aus der deutschen Lehre siehe etwa: Hesse, Grundzüge, Rz 34 und 77; Voigt Alfred, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, in: VVDStRL 10, Berlin 1952, S. 33 ff. (S. 41 und S. 44 f.). Siehe auch die Literatur- hinweise bei Wolff, S. 136. 58Vgl. Wolff, S. 446 ff. 59Zustimmend bezüglich der Existenz von ungeschriebenem Verfassungsrecht contra legem und contra constitutionem auch Huber H., Probleme, S. 98; Scheuner Ulrich, Aussprache, in: VVDStRL 10, Berlin 1952, S.47 f.; Schätzel Walter, Aussprache, in:
	        

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