Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die so genannte «Ordnungssystem-Judikatur» entwickelt. Danach prüft der Verfassungsgerichtshof eine Regelung sehr genau, wenn der Gesetzgeber von einem selbst gewählten Ordnungssystem abgeht. Der Argumentationstopos «Systemgerechtigkeit» beziehungsweise «Folgerichtigkeit» findet sich in zahlreichen Entscheidungen des Bun- desverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hält wider- sprüchliche Regelungen durch den Gesetzgeber für zulässig, das Bun- desverfassungsgericht prüft in diesem Fall aber sehr genau, ob die ab- weichende (systemwidrige) Regelung durch «plausible» beziehungs- weise «hinreichende» Gründe gerechtfertigt ist. Da die «Systemgerechtigkeit» beziehungsweise «Folgerichtigkeit» eine statische Rechtsordnung fördert, sollte dieses Kriterium nicht über- steigert angewandt werden. b)Typisierungen, Pauschalierungen, Durchschnitts - betrachtungen, Härteklauseln, Fristsetzungen, Stichtags - regelungen Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität der einfachheitshalber nach einem abstrak- ten, technischen Kriterium – beispielsweise nach dem Ort oder der Zeit – differenzieren, das den Unterschieden in der Mehrzahl der Fälle ent- spricht, aber Grenzfällen nicht gerecht zu werden vermag. Der Verfassungsgerichtshof erkennt darin ebenfalls keine Verlet- zung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn der Gesetzgeber bei einer Regelung von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und auf den Re- gelfall abstellt. Atypische Härtefälle machen eine Regelung noch nicht gleichheitswidrig. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt dabei die unglei- chen Auswirkungen einer Norm nach
dem Grad der Schwierigkeit, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würdesowie auch nach
dem Gewicht der angeord- neten Rechtsfolgen. Hier wird wiederum das Verhältnismässigkeitsprin- zip erkennbar. Das Bundesverfassungsgericht hält sachgerechte und realitätsge- rechte Typisierungen grundsätzlich für zulässig. Auch atypische Härte- fälle als Folge einer Typisierung/Generalisierung müssen von den Be- 304Aktuelle
Interpretation des Gleichheitssatzes und des Willkürverbots