Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Selbstgebundenheit. In StGH 1976/6513erklärt er, dass im Gutachtenver- fahren514die Fall-Orientiertheit fehle, weshalb sich der Staatsgerichtshof nicht für gebunden ansehen könne, wenn in späteren konkreten Einzel- fällen Abweichungen von Sätzen notwendig werden, die im Gutachten- verfahren ohne Bezugnahme auf spezifische Einzelprobleme aufgestellt worden sind. In StGH 1984/5/V515hält er fest, dass gutachtliche Aus- führungen des Staatsgerichtshofes keine verbindlichen Wirkungen für spätere Urteile beanspruchen können und dass schon gar nicht einzelne Sätze der Begründung in den Gutachten-Erwägungen als verbindlich he- rangezogen werden können. In StGH 1985/11516gibt er zu verstehen, dass Gutachten Rechtsfragen erörtern und daher den Staatsgerichtshof in späteren Urteilsverfahren, das heisst in der Beurteilung konkreter Streitigkeiten, nicht binden. Er sei somit im vorliegenden Fall nicht an seine frühere Äusserung zur Verfassungsmässigkeit der Bestimmung über die Gewerbegenossenschaft gebunden. Der Staatsgerichtshof hat damit die Bindung an seine Gutachten und die Bindung an seine Ent- scheidungen einander gleichgesetzt. Er begründet – anders gesagt – seine Nichtgebundenheit an seine frühere Äusserung in der Entscheidung, in der er die Norm noch für verfassungsmässig gehalten hat, damit, dass er sich nicht an Ausführungen in Gutachten für gebunden ansehen könne. Viel entscheidender im Zusammenhang mit der Bindungswirkung einer Entscheidung ist in diesem Urteil jedoch die Bemerkung, dass die Frage der Vereinbarkeit der erneut zu prüfenden Regelungen mit der Vereins- freiheit (Art. 41 LV) im Gutachten nicht aufgeworfen worden sei und ebenso nicht die Frage der Vereinbarkeit mit der Europäischen Men- schenrechtskonvention, der das Fürstentum Liechtenstein erst mit Wir- kung ab 8. September 1982 beigetreten sei.517Er nimmt hier mit anderen Worten mittelbar zur Frage der zeitlichen Grenzen der Bindungswir- kung Stellung. Liegen neue tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte 861 
§ 48 Im Besonderen 513StGH 1976/6, Gutachten vom 10. Januar 1977, ELG 1973–1978, S. 407 (409); vgl. auch StGH 1979/7, Gutachten vom 11. Dezember 1979, LES 1980/81, S. 116 (117). 514Ausführlich zur gutachterlichen Tätigkeit des Staatsgerichtshofes auf der Grundlage des alten Staatsgerichtshofgesetzes Wille, Normenkontrolle, S. 90 ff. Die Kompe- tenz zur Erstellung von Gutachten nach Art. 16 altStGHG hat keinen Eingang in das neue Staatsgerichtshofgesetz gefunden. 515StGH 1984/5/V, Urteil vom 25. April 1985, LES 4/1985, S. 103 (104). 516StGH 1985/11, Urteil vom 2. Mai 1998, LES 3/1988, S. 94 (97). 517StGH 1985/11, Urteil vom 2. Mai 1988, LES 3/1998, S. 94 (97).
	        

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