Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

2.Gegenstand des Vergleichs Es geht in erster Linie um die Frage, inwieweit die Verfahrensparteien über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können.866Damit sind die Verfügungsbefugnis über das materielle Recht und die Verfügungsbefug- nis im Verfahren (Dispositionsmaxime) angesprochen.867Ungewiss ist, ob materielles Verfassungsrecht überhaupt vergleichsfähig (disponibel) ist. Die Verfügungsbefugnis der Parteien über das materielle Recht wird in vielen, aber nicht in allen Fällen fehlen.868So stehen beispielsweise ver- fassungsmässige Rechte und Pflichten nicht zur Disposition der Par- teien.869Nach Ansicht von Christian Hillgruber/Christoph Goos870ist deutsches Verfassungsrecht zwingendes Recht und die durch das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt darf von den ihr auferlegten ver- fassungsrechtlichen Bindungen nicht dispensiert werden, weshalb sich die Verfassung nicht für einen «Deal» eignet.871Können öffentliche Inte- ressen nur im Wege der Entscheidung befriedigt werden, scheidet ein Vergleich aus.872Die richterliche Entscheidung ist unverzichtbar für die Bewährung des Rechts, seine Fortbildung und Entwicklung. Daher ist auch im Verfassungsprozessrecht an den idealen Zielen des Urteils fest- zuhalten: Wahrheitsfindung, Wahrung der Gerechtigkeit und Sicherung des Rechtsfriedens durch verbindliche Entscheidung. Vergleich und Kompromiss müssen im Verfassungsprozess die seltene Ausnahme blei- ben.873Vergleichslösungen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht 605 
§ 36 Prozessvergleich 866Vgl. Schlaich/Korioth, S. 50, Rz. 67. 867Vgl. Wolff, S. 466. 868So für Deutschland Wolff, S. 466; in diesem Sinne auch für die Schweiz Rhinow/ Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht, S. 167, Rz. 877. Nach ihnen spielt der Ver- gleich in der öffentlichen Rechtspflege wegen der zwingenden Natur des öffent - lichen Rechts eine geringe Rolle. Er kommt etwa bei Schätzungen in vermögens- rechtlichen Angelegenheiten vor. Siehe auch Zimmerli/Kälin/Kiener, S. 132 unter Hinweis auf BGE 114 Ib 74 E. 1 S. 77 f. 869Klein, Staatsraison, S. 9. 870Hillgruber/Goos, S. 3, Rz. 6. 871Weniger absolut Kotzur, S. 79. Nach ihm ist das Verfassungsrecht nur weitgehend nicht dispositiv. 872So Kotzur, S. 81. 873Vgl. Kotzur, S. 80 f.; anderer Ansicht Wolff, S. 471. Er fordert den Gesetzgeber auf, eine gesetzliche Regelung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu schaffen, die dem Gericht das Hinwirken auf eine gütliche Einigung der formell und materiell Betei- ligten ermöglicht.
	        

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