Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

VII.Vereitelung einer amtswegigen Normenkontrolle durch Klaglosstellung Die belangte Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde oder allenfalls deren Oberbehörde kann ein in einem Individualbeschwerdeverfahren gegen eine letztinstanzliche und enderledigende Entscheidung einer Verwal- tungs- oder Gerichtsbehörde vom Staatsgerichtshof von Amtes wegen eingeleitetes Normenkontrollverfahren vereiteln, wenn sie den Indivi- dualbeschwerdeführer klaglos stellt, bevor der Staatsgerichtshof ein Ur- teil gefällt hat.828Der Staatsgerichtshof hätte in diesem Fall das Verfah- ren gemäss Art. 42 Abs. 1 StGHG mit Beschluss einzustellen. Der österreichische Gesetzgeber hat 1975 diesen mit dem liechten- steinischen Recht vergleichbaren Rechtszustand in einer Verfassungsge- setznovelle829geändert, nachdem er in der Judikatur und Lehre starker Kritik ausgesetzt war.830In Liechtenstein wurde diese Thematik sowohl bei der Abänderung der Verfassung im Jahre 2003831als auch bei der Neufassung des Staatsgerichtshofgesetzes im Jahre 2004832nicht aufge- griffen, obwohl im Schrifttum auf die Möglichkeit der Missbrauchsge- fahr aufmerksam gemacht worden ist.833 Eine Klaglosstellung ist auf Grund des Gesetzeswortlautes und der engen Auslegung von Art. 42 Abs. 1 Satz 1 StGHG nur im Individual- beschwerdeverfahren möglich. In allen anderen Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist sie nicht vorgesehen. Eine Missbrauchsgefahr be- steht daher nur bei einer amtswegigen Normenkontrolle. Zum selben Ergebnis kommt man auch, wenn man unter der Klaglosstellung, wie Rudolf Thienel nur die formelle Klaglosstellung, d.h. die Klaglosstellung im technischen Sinn, versteht. 596Vorzeitige 
Beendigung des Staatsgerichtshof verfahrens 828Vgl. dazu schon Wille, Normenkontrolle, S. 132 f. 829Siehe BGBl 1975 Nr. 302. Art. 139 Abs. 2 und Art. 140 Abs. 2 B-VG bestimmen: «Wird in einer beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Rechtssache, in der der Ver- fassungsgerichtshof eine Verordnung (ein Gesetz) anzuwenden hat, die Partei klag- los gestellt, so ist ein bereits eingeleitetes Verfahren zur Prüfung der Gesetzmässig- keit der Verordnung (Verfassungsmässigkeit des Gesetzes) dennoch fortzusetzen». 830Wille, Normenkontrolle, S. 133 mit Literaturhinweisen; vgl. für Österreich etwa Schwarzer, S. 3, FN 15. 831LGBl. 2003 Nr. 186. 832LGBl. 2004 Nr. 32. 833Siehe Wille, Normenkontrolle, S. 132 f.
	        

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