Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

c) «Unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis» Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäss § 146 Abs. 1 ZPO voraus, dass die Säumnis der Partei bzw. ihres gesetzlichen oder ge- willkürten Vertreters auf ein «unvorhergesehenes429oder unabwendba- res Ereignis» zurückzuführen ist und die dadurch verursachte Versäu- mung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzu- nehmenden Prozesshandlung zur Folge gehabt hat.430Bei der Auslegung des Begriffes «Unvorhersehbarkeit» ist nicht auf das objektive Moment der Unvorhersehbarkeit, sondern auf die subjektiven Verhältnisse der Partei abzustellen. Die Partei hat aber alle ihr zumutbaren Massnahmen zu treffen, um die Prozesshandlung fristgerecht vornehmen zu kön- nen.431Ebenso ist das unvorhergesehene Ereignis nur dann ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund, wenn es für die Versäumung kausal ist.432 Die Partei hat im Zivilprozessrecht eine Diligenzpflicht. Das Ober- gericht setzt in seinem Beschluss vom 8. Januar 1975433den Begriff «un- vorhergesehen» mit dem Begriff «unverschuldet» gleich, wie er etwa in 505 
§ 30 Allgemeine Sachentscheidungs- bzw. Sachurteilsvoraussetzungen 429Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes ist ein Er- eignis etwa dann unvorhergesehen, wenn es die Partei nicht einberechnet hat und sein Eintritt von ihr unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Auf- merksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Siehe Machacek, S. 68 und insbesondere S. 70 mit Rechtsprechungshinweisen; in diesem Sinne auch StGH 2003/87, Urteil vom 4. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 12 unter Hinweis auf Deix- ler-Hübner in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Band II/2, § 146 ZPO Rz. 6, Wien 2003. 430Vgl. dazu mit Beispielen für das österreichische Zivilprozessrecht Rechberger/Si- motta, S. 295, Rz. 499 und für das österreichische Verfassungsprozessrecht mit zahl- reichen Beispielen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Hiesel, Wiedereinsetzungspraxis, S. 27, insbesondere S. 28 ff.; siehe zu dieser Voraussetzung auch StGH 2004/77, Urteil vom 29. November 2005, nicht veröffentlicht, S. 7 f. Nach StGH 2003/23, Urteil 17. November 2003, nicht veröffentlicht, S. 5 f. fallen Kommunikationsprobleme zwischen Beschwerdeführer und Rechtsvertreter nicht unter den Tatbestand des unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses. Hin- gegen bildet nach StGH 2003/87, Urteil vom 4. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 13 unter Bezugnahme auf Deixler-Hübner in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Band II/2, § 146 ZPO Rz. 18, Wien 2003, eine unrichtige Aus- kunft von Gerichtspersonen oder Irrtümer eines Gerichts, die eine Säumnis der Par- tei zur Folge haben, in der Regel einen tauglichen Wiedereinsetzunggrund. 431StGH 2003/87, Urteil vom 4. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 12 unter Hinweis auf Deixler-Hübner in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Band II/2, § 146 ZPO Rz. 6, Wien 2003. 432StGH 2003/87, Urteil vom 4. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 12 f. 433OG E 3464/73, Beschluss vom 8. Januar 1975, ELG 1973–1978, S. 198 f.
	        

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